Traberzucht

v. Hans Klemp

Aller Anfang ist schwer. Dieser Erkenntnis konnten sich auch die wenigen opfermutigen, von einem beispielhaften Idealismus beseelten Trabersportpioniere nicht verschließen, als die Aufgabe an sie herantrat, die ersten züchterischen Bestrebungen in Gang zu bringen. Nur zaghaft, wie von einem Menschen, der sich in tiefstem Dunkel vorwärts tasten muss, konnte der Keim in den Boden gesetzt werden. Es galt Neuland zu bearbeiten, von dem man nicht wissen konnte, welcher Ertrag der Lohn mühevoller Tätigkeit sein würde.

Die ersten Zuchtversuche, man kann sie getrost Zuchtexperimente nennen, waren und konnten auch nicht die Problematik dessen, was wir heute unter Traberzucht verstehen, in einer Weise beleuchten, die gestattet hätte, den ganzen Komplex zielstrebig voranzutreiben. Aber man hatte doch feste Vorstellungen von dem, was es zu erreichen galt. Deshalb ging man keinem in weiter Ferne flackernden Irrlicht nach, sondern suchte Wege, die für die Sache ein festes Fundament ergaben. Selbstverständlich konnte dieser Entwicklungsprozess nicht ohne Rückschläge durchgemacht werden. Aber unser jetziges Wissen, dass diejenigen, die damals als erste Traberzüchter das Zepter ergriffen, Fehler machten, ja bei der völlig fremden Materie zwangsläufig machen mussten, kann die Gefühle der Dankbarkeit und Anerkennung nicht beeinträchtigen, die wir heute diesen Wegbereitern der deutschen Traberzucht entgegenzubringen haben. Bei allen anfänglichen negativen Zuchtergebnissen waren auch ermutigende Erfolge zu verzeichnen, sie ergaben schließlich den Grundstein der Traberzucht unserer Tage.

In Deutschland konnte der Trabersport im Vergleich zu anderen Ländern erst verhältnismäßig spät heimisch werden. Bevor hier der neue Sportzweig eine gewisse Popularität erlangte, konnte in Amerika, Russland, Italien, Frankreich und Österreich-Ungarn, ja selbst in den skandinavischen Ländern, in Großbritannien und in Finnland schon auf eine Tradition zurückgeblickt werden, die hinsichtlich der züchterischen Anfänge Jahrzehnte umfasste, sich im Falle Amerikas und Russlands sogar über mehr als ein volles Jahrhundert erstreckte. Es lag also nichts näher, als durch ausländische Zuchtprodukte die Basis zur Gründung und Weiterführung einer eigenen deutschen Traberzucht zu schaffen. Was bis dahin an mit Trabanlagen ausgestatteten Inländern gezüchtet worden war, hatte mit dem später einheimischen Traber nicht das Geringste zu tun. Es handelte sich meist um Vertreter der holsteinischen Zucht, die wohl eine bemerkenswerte Gängigkeit besaßen, was aber nicht rechtfertigte, sie bereits als ein Produkt der Traberzucht zu bezeichnen.

Der Trabersport in Deutschland – unter diesem Begriff versteht man heute bekanntermaßen alles, was mit dem Zucht- und Rennbetrieb zusammenhängt – begann mit der Abhaltung von Trabrennen und nicht, wie es vielleicht als logische Folge angesehen werden könnte, mit der Zucht dieser Pferderasse. Während die Abhaltung der ersten Rennprüfungen bereits in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts stammen, datieren die konkreten Anfänge der Traberzucht aus dem Jahre 1886. Das war der Zeitpunkt, wo die ersten sieben Fohlen geboren wurden, die als inländisch gezogene Traber Träger des immer umfangreicher werdenden Trabrenngeschehens wurden.

Die sieben Erstlingsprodukte (genau genommen waren es nur sechs, aber der hier mit aufgeführte Lump, als Fohlen mit der Mutter eingeführt, erhielt den Inländer-Passus) der deutschen Traberzucht waren: die Stute Brunhilde v. Lad (R.Tr.) a.e. preuß. Stute, der Hengst Cromwell v. San Kissow (R.Tr.) a.d. Margerethe; die Stute Maiblume v. Havaneser a.e. russ. Stute; der Hengst Double Stout v. Medardus (Hbl.) a.e. Norfolk-Traberstute; der Hengst Lump v. Lumps (A.Tr.) a.d. Nelly Parker (A.Tr.); die Stute Marie M. v. Parks Volunteer (A.Tr.) a.d. Daisy (A.Tr.), und der Hengst Mercur v. Amber (A.Tr.) a.d. Lysandra (A.Tr.).

Streng genommen waren von diesen sieben Produkten nur die drei Letztgenannten nach Traberprinzip gezogen. Diese drei Fohlen stammten allesamt aus dem ein Jahr zuvor von Herrn W. Moessinger zu Sprendlingen bei Frankfurt/Main begründeten Gestüt Mariahall. Damit ist der Name des Mannes genannt worden, dem das uneingeschränkte Verdienst zukommt, der erste deutsche Traberzüchter überhaupt gewesen zu sein. Herr Moessinger errichtete auf deutschem Boden das erste Trabergestüt von Bedeutung und bewies mit der vorbildlichen Ausgestaltung eine Opferbereitschaft und einen Wagemut, der heute nicht hoch genug gewürdigt werden kann. Er war es, der als erster amerikanisches Blut benutzte und darüber hinaus erreichte, dass ein bisher der Trabersache fremd und ablehnend gegenüberstehender Personenkreis für die neue Aufgabe gewonnen wurde.

Das Gestüt Mariahall war also innerhalb der deutschen Traberzucht bahnbrechend. Es gelang Herrn Moessinger, durch eine geschickte und ebenso unaufhörliche Werbung einen zunächst nur kleinen Kreis Gleichgesinnter um sich zu scharen, die ihm in den schweren Anfangsjahren tatkräftigen Beistand leisteten. Er selbst ging den von ihm aufgezeigten Weg mit beispielhaftem Handeln voran. Die Zuchterfolge des Gestüts Mariahall, zu dessen Einrichtung auch eine eigene Trainierbahn gehörte, werden noch später näher zu besprechen sein. Sie sind umso höher zu bewerten, als ihr Gründer sich in einer jahrelangen Auseinandersetzung mit den damaligen Rennvereinen zu behaupten hatte, die wenig oder gar keine Neigung zeigten, die züchterische Seite des Sports mit den wohl vorhandenen, aber ängstlich gehüteten Mitteln zu unterstützen. Zwar gab es zu jener Zeit schon sogenannte Inländerrennen, die sich jedoch nicht in einem Rahmen abwickelten, der züchterische Kreise auf die Nutzbarmachung der Traberzucht hinweisen konnte. So wurde es Herrn Moessinger nicht leicht gemacht, die mit starken Händen erhobene Fahne weiter hochzuhalten und dabei nicht die Hoffnung zu verlieren, dass für alle Opfer der verdiente Lohn nicht ausbleiben würde.

Bevor die ersten deutschen Traberzuchtstätten, ihre Entstehung und das verwendete Zuchtmaterial einer eingehenden Analyse zu unterziehen sind, scheint noch eine allgemeine Betrachtung der damaligen Trabersportsituation zum besseren Verständnis der Dinge nicht unbedeutend. Die Berechtigung von Traberzucht und –Rennen fand aus folgenden Gründen immer mehr öffentliche Anerkennung:

1) Die Gängigkeit aller bisher gezogenen Pferdeschläge und Rassen verlangte eine Vervollkommnung. Als Mittel zum Zweck begann man bald den Vollbluttraber anzusehen.

2) Durch jeden Rennbetrieb – und nicht zuletzt auch durch den kleineren Pferdezüchtern leichter zugänglichen Trabrennsport – wurde der Sinn für Leistung und Training erweckt. Das hatte also als wirksames Argument gegen die für die Landespferdezucht schädliche Stallaufzucht zu gelten.

Bei allem Suchen nach der geeignetsten Methode, die Traberzucht auf feste Beine zu stellen, hatten die Verfechter dieser Idee schon damals genau umrissene Vorstellungen von dem, was zu erreichen sie sich gerade anschickten. Sie wussten durchaus, dass jede Produktion nur dann nützlich und dauernd lebensfähig sein konnte, wenn sie zielbewusst, das heißt, wenn sie nicht nur für den augenblicklichen Bedarf der Gegenwart, sondern auch auf die künftigen Erfordernisse ausgerichtet, betrieben wurde. Diese Erkenntnis war schon deshalb von Wichtigkeit, weil es sich hier um einen Zweig der Pferdezucht handelte, der sich nicht von heute auf morgen aufbauen ließ.

So wurde es schon in jenen Tagen als eine zukünftige Aufgabe der Traberzucht und des Trabrennsports angesehen, die Schnelligkeit, Regelmäßigkeit und Ausdauer des Trabers auch für weite Teile der Landespferdezucht dienstbar zu machen. Obwohl ein konsequentes Vorgehen in dieser Richtung vorerst noch nicht gegeben war und später nur sehr langsam auf die Gegenliebe staatlicher Stellen stieß, die nur zögernd die volkswirtschaftliche Bedeutung der Traberzucht in ihrer vollen Auswirkung begriffen, wurden diese Gedanken zur Grundlage jeglichen züchterischen Handelns. Man hütete sich wohlweislich, gedankenlos einen Zuchtbetrieb aufzubauen und dabei zunächst unerreichbaren Idealen nachzujagen. Den Endzweck immer im Auge behaltend, mit beiden Füßen auf der Erde stehend und mit den gegebenen Faktoren rechnend, aber entschlossen zu handeln, wenn der Moment gekommen war, der einen Schritt vorwärts in der Richtung des Endzieles führen konnte, das waren die Leitmotive, auf die es ankam, und die von der Allgemeinheit der deutschen Traberzuchtpioniere beachtet wurden.

Zahlenmaterial vermag immer ein anschauliches Bild zu zeichnen. Lassen wir deshalb vorerst einmal die Statistik sprechen. Es begann, wie schon gesagt, im Jahre 1886 mit sieben Fohlen, mit denen die deutsche Traberzucht ihren Anfang nahm. In den folgenden 10 Jahren verstärkte sich die Zahl der Züchter in einer Weise, die vergleichbar ist mit einer Lawine, die ins Rollen kam. Bis einschließlich 1895 wurden 563 Fohlengeburten registriert. Von diesen Produkten stammte eine hohe Prozentzahl von Stuten, die nach den gemachten Erfahrungen nicht mehr für die Traberzucht herangezogen wurden oder außer Landes gingen. Nur 174 Mutterstuten fanden im ersten Stutbuch (1896) Aufnahme. Sie bildeten fast ausschließlich den Bestand der damaligen großen Trabergestüte Deutschlands und waren von folgender Herkunft:

Amerikanische Traber:    52 Stuten
Russische Traber: 22 Stuten
Deutsche Traber: 17 Stuten
Französische Traber: 6 Stuten
Österreichisch-Ungarische Traber: 5 Stuten
Englische Traber: 3 Stuten
Italienische Traber: 2 Stuten
Skandinavische Traber: 1 Stute

Diese 108 Stuten waren nach Traberprinzip gezogen, ihre Väter und Mütter galten also ebenfalls als Traber. Die restlichen 66 Mutterstuten setzten sich aus Halbblut (47) und Vollblut (19) zusammen. Wie schnell man die Bedeutung des reinen Traberbluts als maßgeblichen Zuchtfaktor erkannte, geht daraus hervor, dass von den insgesamt 563 Fohlengeburten im ersten Jahrzehnt der deutschen Traberzucht fast alle von Erzeugern stammen, die Repräsentanten des Traberbluts waren. Allein 554 wurden als Nachkommen von Traberhengsten geführt, die überwiegend amerikanische Abstammung aufwiesen. Nur bei sechs Produkten wurden Halbbluthengste und bei drei weiteren Produkten Vollbluthengste herangezogen.

Die deutsche Traberzucht hat also aus kleinen Anfängen heraus riesenhafte Fortschritte machen können. Inzwischen war durch das Inkrafttreten des Reglements für Trabrennen im preußischen Staate (1892) den Rennvereinen die Auflassung gemacht worden, einen bestimmten Prozentsatz der ausgeworfenen Preise für Inländerrennen aufzuwenden. Damit war nicht nur eine quantitative Produktionssteigerung der deutschen Traberzucht verbunden, sondern es bewirkte auch, dass die Güte des Materials wesentlich verbessert wurde. Waren noch in den ersten Jahren planlose Kreuzungen an der Tagesordnung, so wurde bald das Verständnis geweckt, dass nur gutes Blut allein durchschlagende Zuchterfolge versprach.

Schon fast mit der Geburtsstunde der deutschen Traberzucht hatte sich die Erkenntnis breit gemacht, dass die große Chance der neuen Zuchtrichtung vor allem in der Weiterzüchtung amerikanischen Traberbluts liegen würde. Zwar hatten auch Vertreter anderer Traberländer unbestreitbare Bedeutung erlangen können, was zu verschweigen unsachlich und ungerecht wäre, aber als Quelle der weiteren Blutauffrischung dienten dann in der Mehrheit die Traber Amerikas, sodass wir getrost die deutsche Traberzucht als einen Zweig der amerikanischen bezeichnen dürfen. Ausschlaggebend für die überwiegende Zuchtverwendung des amerikanischen Trabers war neben dessen schon durch Generationen bewiesene hervorragende Vererbungsfähigkeit vor allem die Tatsache, dass er infolge seiner rationell betriebenen Aufzucht am besten für die in Deutschland bestehenden Zuchtverhältnisse geeignet war.

Wenn eben zum Ausdruck gebracht wurde, dass die deutsche Traberzucht heute ein Teil der amerikanischen sei, so könnte dies, so weit es die Anfänge der jungen Zuchtrichtung betraf, auf berechtigte Widersprüche stoßen. In der Tat ergab sich in den großen Trabergestüten der Gründerzeit noch eine bunte Zusammensetzung des Zuchtmaterials, wobei zwar der amerikanische Traber vorherrschte, aber zunächst nur geringes Übergewicht besaß. Das änderte sich jedoch, wie wir aus der Geschichte der deutschen Traberzucht ersehen können, immer mehr und die Bevorzugung amerikanischen Traberbluts hat uns schließlich auf den richtigen Weg geführt.

Eine Betrachtung der deutschen Traberzuchtanfänge wäre unvollständig, wollte man sich nur in allgemeinen Feststellungen verlieren. Es soll daher nicht versäumt werden, die Entstehung der ersten deutschen Trabergestüte in entsprechender Weise zu skizzieren und auf das verwendete Zuchtmaterial nebst Produkten näher einzugehen, soweit sie für den Fortbestand der Zucht von Bedeutung waren. Die Zahl der Gestüte, die im großen Rahmen Traberzucht betrieben, verstärkte sich von Jahr zu Jahr und es gebietet sich also, vor allem die bedeutsamsten unter ihnen ausführlicher zu behandeln.

Als Eckpfeiler der deutschen Traberzucht haben sich in den ersten 10 Jahren ihres Bestehens etwa in der Reihenfolge ihres Zuchtbeginns erwiesen: das Gestüt Mariahall, das Gestüt Gustavshof, das Trabergestüt Kreuzbruch, die Gebrüder Beermann, das Trabergestüt Schabernack, H. Heitmann (Altengamme), H. Gerkens (Hamburg), das Landgestüt Landshut, das Haupt-Trabergestüt Lilienhof, das Gestüt Schrombehnen, das Gestüt Franklinheim, E. Klinge (Hamburg) und das Gestüt Klein-Helle. Die vorgenannten Zuchtstätten waren es gewiss nicht allein, wo die Traberzucht eine Heimstatt fand. Die Zahl der kleinen Züchter steigerte sich enorm, im ersten Dezennium waren es schon mehr als 300 Namen, die als Besitzer von Mutterstuten eingetragen wurden. Ohne Frage hat die deutsche Traberzucht auch aus diesen Quellen starken Auftrieb erhalten, jedoch müssen sie in dem hier gebotenen Rahmen ungenannt bleiben.

Das Startzeichen zur einheimischen Traberzucht gab Herr W. Moessinger mit seinem 1885 in Sprendlingen errichteten Gestüt Mariahall. Zwar hatte diese Zuchtstätte nur einen zehnjährigen Bestand, aber hier wurde so mancher für damalige Begriffe vorzüglicher Renntraber geboren, sodass die Impulse, die von Mariahall ausgingen, nicht hoch genug eingeschätzt werden können. Der Amerikaner Frances Alexander war der erste Deckhengst des Gestüts, zu dem sich später noch Emigrant (A.Tr.) und der selbst gezogene Lump gesellten. Während Frances Alexander nur ein unvollständiges Pedigree besaß – er ging väterlicherseits auf Henry Clay zurück – brachte Emigrant über seinen Vater Electioneer 125 als Enkel des großen Hambletonian 10 gewichtige blutmäßige Vorzüge mit. Auch Lump, der als Fohlen bei Fuß nach Deutschland kam und hier den Passus eines sogenannten Mock-Inländers erhielt, vereinigte moderne Blutströme, war er doch in der väterlichen Linie ein Enkel von George Wilkes, der zu Recht als einer der einflussreichsten Hambletonian-Söhne bezeichnet wurde.

Die Mariahallsche Stutenherde wurde von sechs amerikanischen und je einer russischen und österreichisch-ungarischen Traberstuten gebildet. Einige Voll- und Halbblutstuten komplettierten den Bestand. Nachfolgende Stuten hatten, dem damaligen Leistungsstandard des Renntrabers entsprechend, erwähnenswerte Produkte mit besseren Rekorden als 1:40: Addie E.C. (A.Tr.): Lumpacius 1:34,5; Baldrick (E.Vbl.): Brünhilde 1:32,4 und Lohengrin 1:36,1; Blue Belle (A.Tr.): Libelle 1:39,7; Gipsy Queen (A.Tr.): Emma 1:37,1 und Emmenthaler 1:39,7; Maiblume (A.Tr.): Ariadne 1:35,5; Mirza (R.Tr.): Friedel M 1:38,5.

Die Rekorde der ersten Produkte des Gestüts Mariahall nehmen sich für heutige Begriffe gewiss sehr mäßig aus. Es bedarf aber wohl kaum der Feststellung, dass sie in jenen Tagen als respektables Können angesehen wurden. Von Wichtigkeit war auch weniger das jeweilige Leistungsvermögen, sondern weit mehr der Nutzen aus ihrer züchterischen Weiterverwendung. So hat Brünhilde, die zu ihrer Zeit Trägerin der deutschen Drei- und Vierjährigenbestzeit war, eine überragende Nachkommenschaar gehabt, die ihr den Ruf einer Stammmutter einbrachte. Hier ihre Kinder: Bergfried 1:27,4, Walhall 1:32,6, Emilia 1:32,6, Brünhildenstein 1:33,0, Brahma 1:33,3 und Brünhildensohn 1:35,3. Auch Ariadne trat im Gestüt mit ihren Produkten hervor: Larifari 1:30,3, Amalie 1:37,9, Armin 1:38,1 und Arie 1:39,4.

Da eine Hinzufügung weiterer Namen zu weit von der eigentlichen Themenstellung abweichen würde, sollen bei der Betrachtung der einzelnen Gestüte nur die wesentlichsten Dinge hervorgehoben werden. Die Zucht des Herrn W. Moessinger brachte innerhalb eines Jahrzehnts 26 Traber mit besseren Leistungen als 1:40 hervor. Die schnellsten Rekorde erreichten Marmor 1:29,5, Larifari 1:30,3 und Brünhilde 1:32,4 (über 4900 m). Von den Beschälern des Gestüts wurde Frances Alexander Erzeuger von 60 Produkten, während Emigrant 27 und Lump 26 Nachkommen hatten. Die Inanspruchnahme dieser Hengste bezog sich natürlich auch auf gestütsfremde Stuten.

Es vergingen nur zwei Jahre nach der Gründung des Gestüts Mariahall, bis zwei weitere neu errichtete Zuchtstätten in Erscheinung traten. 1887 waren die ersten Fohlengeburten im Gestüt Gustavshof und im Trabergestüt Kreuzbruch zu verzeichnen, die als erste dem Beispiel Mariahalls gefolgt waren. Das Gestüt Gustavshof befand sich bei Düsterförde in Mecklenburg und wurde zwar bald nach der Jahrhundertwende wieder aufgelöst, seine Besitzer hatten aber als Importeure einer Vielzahl amerikanischer Stuten beträchtliches für den Fortschritt der Zucht leisten können. Über die Erfolge von Gustavshof vermag man sich heute kein klares Bild zu machen, da es mehrfach den Besitzer wechselte und auch ein großer Teil des Zuchtmaterials in andere Hände überging. Das Gestüt begann mit einem umfangreichen Mutterstutenbestand, waren doch schon nach wenigen Jahren allein 14 amerikanische Stuten in Gustavshof eingestellt, zu denen noch einige russische Traberinnen kamen. Unter den Stuten befand sich auch Myriad (A.Tr.), die später verkauft wurde und als Mutter von Freund Fritz, der im Jahre 1903 über 2700 m mit 1:24,7 einen deutschen Inländerrekord trabte, der mehr als 20 Jahre Gültigkeit besaß, besonderes Ansehen erlangte.

Die eigentlichen Zuchterfolge von Gustavshof beschränkten sich auf die Zucht von neun 1:40-Trabern. Diese waren im einzelnen: Artillerist 1:32,4, Attila 1:33,3, Abenteurer 1:34,7, Altmeister 1:34,8, Deborah 1:35,4, Annaliese 1:36,2, Krassa 1:36,4, Allerliebste 1:37,6 und Abendröte 1:38,7. Das Hauptverdienst des Gestüts lag vor allem aber im Import ausländischen Materials und in dieser Beziehung gab man ein Beispiel, das Schule machte und somit der großen Sache eine erhebliche Förderung wurde.

Einen nicht so großen Umfang hatte die Traberzucht des Herrn Ludwig Borrmann im Trabergestüt Kreuzbruch bei Liebenwalde. Es war aber von dem Hausherrn mit viel Sachverständnis geleitet und brachte bemerkenswerte Zuchtresultate. Herr Borrmann begann seine züchterische Tätigkeit mit der amerikanischen Stute Bessie B., und schon mit dem dann folgenden Erwerb von Ardea wurde ein glücklicher Griff getan, denn diese Stute brachte an Amri 1:27,1, dem späterhin im Gestüt Kreuzbruch Beschälerpflichten auferlegt wurden, und Afra 1:28,4 zwei für damalige Verhältnisse außerordentlich schnelle Pferde. Von den insgesamt neun Pferden mit einer besseren Leistung als 1:40, die aus der Kreuzbrucher Frühproduktion stammen, verdienen noch Monarch 1:29,4 und Marietta 1:30,6 erwähnt zu werden.

Ein Jahr später, 1888, traten die Gebrüder Beermann der jungen Gilde der Traberzüchter bei. Sie machten schnell Karriere und hatten hervorragende Erfolge zu verzeichnen, erzielten also auf diesem Gebiet ebenso günstige Resultate wie als Besitzer eines umfangreichen und bekannten Rennstalles. Die Gebrüder Beermann ließen sich ihre Passion zum Pferdesport etwas kosten. Eine von ihnen vorgenommene und in erweitertem Umfang fortgeführte Einfuhr besten Zucht- und Rennmaterials stellte sie in die vorderste Reihe der Traberzüchter der Gründerzeit. Ihrer Zuchtstätte entstammten auch die Derbysieger von 1906 und 1907, Fidelio und Spinalmont. Die Basis der Traberzucht der Gebrüder Beermanns bildeten gleichfalls überwiegend amerikanische Stuten, aber auch russische und italienische Trabermütter gehörten zum Gestütsbestand. Das Prunkstück dieser Zucht wurde der bereits genannte Freund Fritz 1:24,7, der den übrigen Pferden der Anfangsepoche an Leistungsvermögen weit voraus war. Die Gesamtzahl der aus dieser Zucht in den ersten Jahren des Bestehens hervorgegangenen 1:40-Traber belief sich auf 30 Pferde, was gewiss eine überaus bemerkenswerte Bilanz darstellt. Neben den bereits aufgeführten Freund Fritz, Fidelio und Spinalmont sollen noch die Namen von Buddhistin 1:30,8 und Primadonna, die den ersten Jugend-Preis gewann, genannt sein.

Zum gleichen Zeitpunkt mit der Beermannschen Traberzucht hatte ein weiteres wohl noch bedeutungsvolleres Gestüt die Zuchttätigkeit aufgenommen. Das war das von dem rheinischen Großindustriellen Christian Schaurte ins Leben gerufene bei Neuss gelegene Trabergestüt Schabernack. Es zählte bis zum Tode seines Gründers zu den markantesten deutschen Traberzuchtstätten überhaupt. Hier wurde ein Gestüt größten Stils unterhalten, wofür eine 25-30 köpfige Stutenherde nachdrücklichst Zeugnis ablegt. Als mit ausschlaggebend für die Erfolge des Trabergestüts Schabernack kann die überragende Vererbungskraft des dort wirkenden Beschälers Dark Night angesehen werden, der in acht Deckperioden 84 Nachkommen hatte. Er übertraf den zuvor eingestellten ebenfalls amerikanischen Deckhengst Addis Emmeth bei weitem.

Später wurde der Gestütsbetrieb nach Lauvenburg verlegt, wo auch in gleicher Weise die Vollblutzucht zu ihrem Recht kam. Auch hier hatte die Zucht des Herrn Schaurte über mehrere Jahrzehnte hinweg Wesentliches zu leisten vermocht. Nicht weniger als 53 Produkte des Gestüts Schabernack/Lauvenburg konnten für die damalige Zeit überdurchschnittliche Rennleistungen aufweisen. Sie alle aufzuzählen, würde zu weit führen. Deshalb sei der Chronistenpflicht genüge getan, wenn die Besten unter ihnen zur Kenntnis gegeben werden: Nordwind 1:28,0, Schauspieler 1:29,3, Hofmeister 1:29,4 (Derbysieger 1902), Klausner 1:29,6 und Baumeister 1:30,4. Den ersten Zuchtrennenerfolg für das Gestüt brachte Intendant im Jugend-Preis 1897.

Immer wieder muss zum besseren Verständnis des Gesagten klar herausgestellt werden, dass die in Erinnerung gerufenen Traberzuchtanfänge jeweils nur den Umfang der einzelnen Zuchtstätten und ihre Produktionen in den ersten Jahren ihres Bestehens wiedergeben, die folgende Entwicklung aber nicht geschildert wurde, weil lediglich die Absicht besteht, die Entstehungsperiode der deutschen Traberzucht aufzuzeigen. Aus dieser Zeit sind auch zwei späterhin immer mehr in den Vordergrund getretene Namen als Traberzüchter anzuführen: Hinrich Heitmann (Altengamme), der als erster Vertreter der im deutschen Trabersport so berühmten Familie zur legendären Gestalt wurde, und H. Gerkens (Hamburg), dessen Sohn dann der Besitzer des Trabergestüts Hansa auf Lasbek-Gut in Bargteheide wurde.

Die Altengammer Zucht fing in sehr kleinem Rahmen an. Zunächst wurden die beiden Vollblüterinnen Patience und Vabene mit negativem Ergebnis herangezogen. Die erste Erwerbung von Bedeutung war dann Lene Thorne, die an Preciosa I 1:31,8 ein sehr schnelles Pferd brachte. Nach und nach erweiterte sich der Umfang des Heitmannschen Gestütsbetriebes durch Einstellung verschiedener amerikanischer, russischer und englischer Trabermutterstuten. In wenigen Jahren erhielt diese Zuchtstätte dann ein versprechendes Profil dadurch, dass immer mehr leistungsfähige Pferde an die Öffentlichkeit gebracht werden konnten. Besonders hervorzuheben aus dieser Epoche sind Allzufrüh 1:29,5 v. Alentell (A.Tr.) a.d. Grace (A.Tr.), Allwina 1:32,2 v. Alentell (A.Tr.) a.d. Edwina (Vbl.) und nicht zuletzt Drolla 1:32,9 v. Longino (A.Tr.) a.d. Damotschka (R.Tr.), die später eine erfolgreiche Mutterstute in Altengamme wurde. Zu ihren Kindern gehörten u.a. Dornblüte 1:24,6 und Don Juan 1:23,2.

Geradezu überragende Zuchterfolge hatte H. Gerkens zu verzeichnen, der auch als Besitzer schneller Pferde in der Frühgeschichte des Hamburger Trabersports immer wieder hervortrat. Sein Gestütsbetrieb war zwar ebenfalls nicht sehr umfangreich, sodass die Qualität seiner Zucht in besonderem Maße auffallen muss. H. Gerkens erste zwei Mutterstuten waren Lene Thorne, die bald von H. Heitmann erworben wurde, und die amerikanische Stute Miss Parker, die nach Monte Vista (A.Tr.) den Derbysieger von 1897, Ebony, fohlte. Noch ein weiterer Gewinner des Traber-Derbys stammt aus der Zucht von H. Gerkens. Es ist dies Glücksstern aus der Pearl Belle, die als Mutter von Pikant 1:28,8 und Perle 1:32,2 weitere mit bestem Trabvermögen ausgestattete Nachkommen brachte. Das Beispiel von H. Gerkens zeigt, dass auch den kleineren Gestüten entscheidender Anteil bei der Entstehung der deutschen Traberzucht zukommt.

Im Anfang der neunziger Jahre des 19. Jahrhunderts nahm auch die Traberzucht in Bayern einen großen Aufschwung. Ausschlaggebend dafür war die Gründung des Landgestüts Landshut, die in erster Linie der Initiative des Landstallmeisters Peter Adam zu verdanken war. Dieses mit staatlicher Unterstützung und Förderung unterhaltene Gestüt wurde der Lebensquell unzähliger kleiner ländlicher Traberzüchter in Bayern. Im Landgestüt Landshut waren eine beachtliche Zahl erstklassiger amerikanischer Deckhengste stationiert, die den Zuchtstätten der weiten Umgebung zur Verfügung standen. Die enorme Verbreitung, die das Landshuter Zuchtmaterial fand, kann nur in großen Zügen aufgezeigt werden. Allein die Inanspruchnahme der Beschäler vermag anschaulich zu dokumentieren, welche Bedeutung dieses Gestüt erlangte. Als erster amerikanischer Erzeuger ist Gothatum zu nennen, der jedoch nur 11 Produkte hatte. Dann kam Dutch Jim (35 Nachkommen), der noch hinsichtlich seiner Heranziehung als Vaterpferd von den nachfolgenden Brother G (104 Nachkommen), Ely See (230 Nachkommen), The Wasser (126 Nachkommen), Yantar (126 Nachkommen), Dr Sphinx (304 Nachkommen), Alamito (138 Nachkommen), King Vasco (151 Nachkommen) und Que Allen (184 Nachkommen) beträchtlich übertroffen wurde.

Natürlich darf nicht der Eindruck entstehen, dass das Landgestüt Landshut lediglich aus einer Deckstation bestand. Ganz im Gegenteil. Hier wurde sogar eine Traberzucht größten Stils betrieben, die aber nicht nur für sich selbst arbeitete, sondern auch den vielen bayerischen Einzelzüchtern, denen in ihrer Gesamtheit höchste Anerkennung zusteht, weitgehende Unterstützung gewährte. Aus der großen Zahl der kleinen und mittleren bayerischen Zuchten sei vor allem das Gestüt des Herrn Dr. von Lang-Puchhof genannt, der mit als erster das Beispiel zur Zucht des Renntrabers in Bayern gab.

Wenn allgemein festgestellt werden muss, dass der Staat sich nur recht wenig um die Traberzucht kümmerte, so ist das für das Territorium Bayern nicht zutreffend gewesen. Unter der weitschauenden Führung von Landstallmeister Adam trug der Fiskus sein Scherflein zur Ausbreitung der Traberzucht bei. Dieses machte sich besonders in den Jahren um die Jahrhundertwende bemerkbar. Mit den Wirren des unheilvollen ersten Weltbrandes wurden jedoch dafür leider die Voraussetzungen zerstört.

Verweilen wir bei der Entstehung weiterer deutscher Zuchtstätten. Das Jahr 1890 brachte in dieser Hinsicht ein Ereignis von weittragender Bedeutung. Es wurde der Zeitpunkt, an dem die Geburtsstunde des Haupt-Trabergestüts Lilienhof schlug. Wie segensreich sich die Arbeit dieses Gestüts für die Entwicklung der deutschen Traberzucht ausgewirkt hat, soll im folgenden zu schildern versucht werden. Unter allen Gestüten der Anfangszeit gebührt Lilienhof ohne Zweifel das unbestreitbare Primat. Es verdankt seine Entstehung der Weitsicht der damaligen Technischen Commission für Trabrennen und wurde von einer Zuchtkommission geleitet, an deren Spitze über Jahrzehnte hinweg Graf Bismarck stand, auf dessen in Ihringen bei Baden gelegenem Besitz Lilienhof der Gestütsbetrieb aufgezogen wurde.

Bis zur Ausgestaltung des Haupt-Trabergestüts Lilienhof hatte die deutsche Traberzucht in überwiegender Mehrheit durch mehr oder weniger geglückte Kreuzungen einen Weg zur Festigung der Zuchtbasis gesucht. Verbindungen russischen, französischen und amerikanischen Traberbluts mit einheimischen Landschlägen sowie Halb- und Vollblut wurden vorgenommen. Holsteiner, Oldenburger, Hannoveraner und Rottweiler, ja sogar ostpreußische Stuten waren zur Bildung einer deutschen Traberrasse ausprobiert worden. Das alles erwies sich aber bald als ein Irrweg. Die richtige Methodik, die klare Linie, könnte man sagen, brachte erst das Haupt-Trabergestüt Lilienhof, das Bahn brach, indem es der Fragenklärung dienen sollte, mit welcher Blutmischung die künftige deutsche Traberzucht aufzubauen sei.

Dieser Leitgedanke stand obenan, als sich die deutschen Trabrennvereine entschlossen, die nötigen Geldmittel bereitzustellen, um mit von ihnen als geeignet angesehenem Zuchtmaterial richtunggebende Versuche zu unternehmen. So entstand Lilienhof, das bei der Gründung noch ein vielgestaltiges Zuchtmaterial aufwies, da man auch hier erst durch konkrete Zuchtresultate die erforderliche Erfahrung gewinnen konnte. Zunächst dürfte der anfängliche Zuchtbestand von Interesse sein. An Beschälern bezogen der amerikanische Traber Independence und der Franzose Juwel, sowie die drei Vollblüter Hazelwood, Granat und Primus eine Box. Die Stutenherde wurde von den Traberinnen Banana Bentley, Chloe, Fanchon, Jessie, Lady Alvord, Lady Hambletonian, Lady Russel, Lucille, Mors Rose (sämtliche A.Tr.), Almeja, Lichatschka, Messi, Pjadnitza, Prokasnitza, Samiena, Tumannaja, Woronzowa (sämtliche R.Tr.), Centifolie, Dornröschen, Nitouche, Noisette (sämtliche F.Tr.), Aquilea, Hinda Rose und Wildflower (sämtliche Ö.-U.Tr.) gebildet, zu denen sich noch einige Voll- und Halbblutstuten gesellten. Man kann also unumwunden die Feststellung machen, dass Lilienhof sofort den Charakter eines Großgestüts trug und gegenüber den mit eigenen Mitteln unterhaltenden Privatzuchten schnell ein spürbares Übergewicht erhalten musste.

Der erste Geburtenjahrgang von Lilienhof stammt aus dem Jahre 1892. Die insgesamt 13 Produkte dieser Abfohlperiode zeigten mit aller Deutlichkeit, dass das reine amerikanische Traberblut für deutsche Zuchtverhältnisse die besten Erfolge versprach, denn von den 13 Fohlen, die, wie alle Gestütsprodukte, unter der Maßgabe eines eventuellen Rückkaufrechtes öffentlich versteigert wurden, gewannen dann die beiden amerikanisch gezogenen La France den Jugend-Preis 1894 und Bambus das erste zum Austrag gekommene Deutsche Traber-Derby 1895.

Diese Erfolge waren nur der Anfang glanzvoller Zuchtergebnisse. In der Folgezeit holten sich die Lilienhofer Pferde die Zuchtrennen serienweise, nicht weniger als sieben Derbysieger wurden im Haupt-Trabergestüt geboren, wovon die russische Traberstute Tumannaja aus der Verbindung mit Independence allein drei, nämlich Cid, Teufelsdorn und Tuberose, brachte. Aber trotz dieses großartigen Zuchterfolges von Tumannaja bestätigte sich auch späterhin die schon anfänglich gemachte Erkenntnis, dass der rein amerikanisch gezogene Traber auf der Rennbahn, vor allem aber in der Weiterzucht, den anderen weit überlegen sei.

Die Kreuzung amerikanischer Traberhengst – französische Traberstute bewährte sich beispielsweise überhaupt nicht. Die Verbindungen mit russischem Blut ergaben wohl trabsichere Pferde, jedoch waren diese nicht schnell genug. Daran änderte auch die genannte großartige russische Zuchtstute Tumannaja nichts, die mit ihrer überragenden Vererbungsfähigkeit eine seltene Ausnahme bildete. So ergab sich wie von selbst, dass nach jahrelangen Versuchen der amerikanische Traber den anderen bedenkenlos vorgezogen wurde. Das bedeutete jedoch nicht, dass alles übrige Material restlos der Ausmerzung anheim fiel. Seiner Bestimmung gemäß wurden im Haupt-Trabergestüt Lilienhof noch weiterhin die Kreuzungsversuche, wenn auch in kleinem Rahmen, fortgesetzt.

Neben dem von Anfang an eingestellten Independence wirkten noch eine Anzahl weiterer Beschäler in Lilienhof. Durch seinen vorzeitigen Tod ging leider Macey’s Hambletonian schon verloren, als er nur 11 Nachkommen, darunter den ersten Derbysieger Bambus, gezeugt hatte.

Das war ein bedauerlicher Verlust. Außerordentlich bewährten sich dann noch Lecturer, Junio, Idolita und in späterer Zeit vor allem Franko. Die gestütseigenen amerikanischen Beschäler waren überdies nicht die einzigen Erzeuger Lilienhofer Fohlen, denn wiederholt wurden auch fremde Deckhengste herangezogen, um einerseits die Durchschlagskraft ihrer Erbanlagen zu erproben und andererseits durch die Einzüchtung passender Blutströme der Gefahr einer zu starken Inzucht zu begegnen.

Wollen wir heute die Erfolge des Haupt-Trabergestüts Lilienhof resümieren, so lässt sich das wohl am besten tun, wenn man sagt, dass es stets ein Mustergestüt für die deutsche Traberzucht dargestellt hat, nicht nur, weil es selbst durch seine Zuchtprodukte höchste Verdienste errang, sondern weil von hier aus eine Kraft ausstrahlte, die dem gesamten Zuchtkomplex zur Stärkung gereichte. Die zerstörenden Folgen von Weltkrieg eins machten auch vor Lilienhof nicht halt. Die Kriegsfurie fegte darüber hinweg und ließ nur noch klägliche Restbestände an Zuchtstuten übrig, die im Februar 1919 zur Versteigerung kamen. So verschwand das Haupt-Trabergestüt als aktiver Bestandteil der deutschen Zucht.

Zu den größeren Gestüten aus der Zeit der Entstehungsgeschichte der deutschen Traberzucht zählte auch das von E. Maecklenburg ins Leben gerufene Gestüt Schrombehnen bei Königsberg (Ostpreußen). Schon nach wenigen Jahren belief sich hier die Zahl der eingestellten Mutterstuten auf 34, womit wohl am deutlichsten der enorme Umfang dieser Zuchtstätte gekennzeichnet ist. Auch in Schrombehnen ergab die Stutenherde hinsichtlich ihrer Herkunft ein buntes Bild. Am stärksten waren jedoch Vertreter der amerikanischen Traberzucht vorhanden, mit denen auch die besten Erfolge erzielt werden konnten.

Das Gestüt Schrombehnen, späterhin nach Tharau (Ostpreußen) verlegt und in Gestüt Jesau umgenannt, stand stets in dem Ruf, eine Aufzuchtstätte harten und widerstandsfähigen Trabernachwuchses zu sein. Die Zuchterfolge können durch Aufzählung einer Reihe bewährter Traber illustriert werden. Als bestes Produkt aus der Anfangszeit hat wohl Nimrod 1:27,7 v. Nina (A.Tr.) zu gelten. Für damalige Verhältnisse überdurchschnittliches Können zeigten auch Fortuna Homer 1:30,3 v. Flora Homer (A.Tr.) und Domnau 1:30,5, die von Deborah, einer Tochter der in Lilienhof beheimateten Amerikanerin Lady Hambletonian, stammte.

Als erster Beschäler von Rang wurde in Schrombehnen/Jesau Silverking, der ein äußerst korrekt gebauter Hengst aus der Mambrino-Linie war, aufgestellt. Die Tatsache, dass er 40 Nachkommen hatte, beweist ganz klar, dass er die Erwartungen erfüllte. Später folgten noch Lysander Wilkes (20 Produkte) und Likeley, ebenfalls ein Amerikaner, der in der deutschen Traberzucht als Vater von 66 Nachkommen hervortrat.

Zwei Gestüte aus der Hamburger Metropole, die sich schon frühzeitig um die deutsche Traberzucht verdient machten, müssen in diesem Rahmen noch gebührend erwähnt werden. Es handelt sich um die Zuchten der Herren H. Olff (Gestüt Franklinheim) und E. Klinge, die schon vor der 1896 erfolgten Gründung des Gestüts Wilhelmsburger Hof, das bald zu den vorbildlichen deutschen Gestüten gezählt wurde (aber zeitlich nicht mehr in das hier zu behandelnde Thema hineingehört), der Traberzucht in diesem Gebiet einen starken Auftrieb gaben.

Im Gestüt Franklinheim wurde von Anfang an auf qualitätsvolles Traberblut größter Wert gelegt, man enthielt sich jeglichen Versuchs experimentellen Vorgehens und benutzte stets nur nach reinen Traberprinzipien gezogene Mutterstuten. Mit einer Ausnahme wurde die zehnköpfige Stutenherde von amerikanischen Traberinnen oder in Deutschland geborenen Kindern solcher Pferde gebildet. Die Leistungsfähigkeiten der Produkte aus dem Gestüt Franklinheim waren die denkbar besten, viele perfekte Könner wurden hervorgebracht, was als Quintessenz sachkundiger Gestütsarbeit anzusehen war.

Der gebotenen Kürze wegen seinen nur einige besonders erfolgreiche Stuten des Gestüts genannt. Als Mutter von Lady Prose 1:28,5 trat Lady Leontine (A.Tr.), die weitere 10 Nachkommen hatte, hervor. Die aus der eigenen Zucht entstammende Minnie Thorne, Jugend-Preis-Siegerin 1893, brachte die sehr schnelle Mignon 1:28,0, bewährte sich also auch als Mutterstute ausgezeichnet. Nicht vergessen darf werden, dass die wesentlichsten Zuchterfolge zu einem guten Teil auf das Konto des in Franklinheim stationierten amerikanischen Beschälers Prose kommen, der in seiner Decktätigkeit nicht weniger als 155 Nachkommen hatte. Seine Dienste waren bei den sich von Jahr zu Jahr immer neu etablierenden Traberzüchtern im norddeutschen Raum sehr gefragt.

Ebenbürtig an die Seite des Gestüts Franklinheim kann die Traberzucht von E. Klinge gestellt werden. Er war ein Mann, der die Bedeutung des Trabers im Dienste der Landespferdezucht mit beachtlichem Weitblick erkannte und danach zu handeln verstand. Auch E. Klinge baute sich eine Stutenherde auf amerikanischer Blutbasis auf. Er ist zu seiner Zeit als Importeur des späteren Derbysiegers Young Axtell bekanntgeworden. Dieser Hengst wurde im Jahre der Geburt mit seiner Mutter Bessie Wilkes, die in neuer Umgebung weitere sechs Nachkommen hatte, eingeführt und erhielt nach den damaligen Bestimmungen die Inländerqualifikation. Mit 10 Stuten hatte die Traberzucht von E. Klinge mehr als mittleres Format, obwohl kein eigener Deckhengst zur Verfügung stand. Das erwies sich jedoch nicht als problematisch, denn inzwischen gab es in Deutschland Beschäler in reicher Auswahl. Vanburen Girl, Isolde und Miss Parker – die Mutter des Derbysiegers Ebony befand sich zunächst im Besitz von H. Gerkens und wurde später an die Gebrüder Beermann verkauft – waren die bewährtesten Mutterstuten des Klingeschen Gestütsbetriebes.

Eine für die Gesamtentwicklung der deutschen Traberzucht eminent wichtige Neugründung bedeutete das Gestüt Klein-Helle. Es wurde von Herrn C. Schwanitz bei Mölln in Mecklenburg, in der Nähe der Stadt Neubrandenburg, errichtet. Mit der Betrachtung dieser altrenommierten Zuchtstätte soll die Analyse der deutschen Traberzuchtanfänge, die sich über ein Jahrzehnt, vom Gestüt Mariahall (gegründet 1885) bis zum Gestüt Klein-Helle (gegründet 1895) erstreckte, abgeschlossen werden. Wenn hier der Schlussstrich unserer Abhandlung über die Pioniere der deutschen Traberzucht gezogen wird, darf dies nicht als Nichtachtung der in der Folgezeit erstellten Trabergestüte gewertet werden, aber der hier gebotene Rahmen bedingt, nur das Wesentlichste aus dem ersten Dezennium zusammenzufassen.

Der Name Klein-Helle besaß nicht von ungefähr einen guten Klang. Eine Traberzucht, die Pferde allererster Klasse, darunter drei Derbysieger, hervorgebracht hat, kann eben nicht der Vergessenheit anheimfallen. Der Gestütsherr konnte durchaus mit Genugtuung auf sein Lebenswerk zurückblicken, denn sein Zuchtbetrieb zählte zu den wohlfundiertesten und erfolgreichsten der Gründerjahre. Das für damalige Verhältnisse mit den modernsten amerikanischen Blutströmen durchzogene Material gab das Fundament einer qualitätsvollen Nachzucht, die überwiegend aus den Stammstuten des Gestüts aufgebaut wurden.

Durch eine umfangreiche Produktion haben sich vor allem Amaranth (10 Nachkommen), Ivy Wilkes (10 Nachkommen), Daisy (neun Nachkommen) und Snipnose (sieben Nachkommen) von ihren übrigen Gestütsgefährtinnen abgehoben. Die Nachkommen dieser Stammmütter waren es, die in späteren Jahren immer wieder den Mutterstutenbestand auffüllten und damit den Grundstein einer bodenständigen Zucht legen konnten. So ergab sich, dass nach der anfänglichen Verwendung amerikanischer Beschäler wie Henrico, Dr Austin und Alzone auch Vaterpferde herangezogen wurden, die auf eigener Scholle aufgewachsen waren. Hier sind Discus, Nimbus, Hurrah und Juror zu nennen, die sich als praktikable Vererber erwiesen.

Mit den drei Derbysiegern Hurrah (v. Diamant a.d. Snipnose), Möwe (v. Alzone a.d. Daisy) und Paprika (v. Alzone – Heimath) hatte das Gestüt Klein-Helle in späteren Jahren seine bedeutsamsten Zuchterfolge aufzuweisen. Weitere schnelle Klein-Heller Pferde aus den ersten Jahren züchterischer Betätigung waren Nimbus 1:28,5, Glückskind 1:28,7, Lausbub 1:29,8, Novellist 1:30,0, Droll 1:30,1, Juror 1:30,1, Mythe 1:30,6, Nachtlicht 1:30,6, Ficus 1:30,8, usw., die allesamt dazu beitrugen, dass im Renngeschehen jener Tage auch die inländischen Produkte immer mehr der Leistungshöhe der ausländischen Traber näherkamen.

Wollten wir eine Rangordnung der vorstehend besprochenen ersten Trabergestüte vornehmen, so wäre das Gestüt Klein-Helle mit in führende Position zu setzen. Gemeinsam mit dem Haupt-Trabergestüt Lilienhof, dem Gestüt Schabernack und dem Gestüt Schrombehnen ist Klein-Helle zu den hervorstechendsten ältesten Traberzuchten zu rechnen, die auch in den klippenreichen Gründerjahren unverzagt der Sache die Treue hielten und auf diese Weise unschätzbare Verdienste ihr eigen nennen dürfen.

Das sind die Feststellungen, die heute über die deutschen Traberzuchtanfänge zu machen sind. Alles in allem bildeten sie den Jungbrunnen, aus dem die wertvollen und wertbringenden Faktoren der folgenden züchterischen Arbeit geschöpft werden konnten. Gewaltig waren die Fortschritte, die unsere Traberzucht im Laufe der Jahrzehnte machen konnte. Unermessliche Kleinarbeit, an der eine riesige Zahl begeisterter Einzelzüchter entscheidenden Anteil nahmen, brachte das mächtige Emporblühen einer Zuchtrichtung, die allen krisenhaften Zeiten zum Trotz ihre Lebenskraft beweisen konnte. Bei allem berechtigten Stolz auf unseren heutigen Zuchtstandard soll immer daran erinnert werden, wieviel Rückgrat in der Entstehungsperiode aufgebracht werden musste, um die vorbehaltlose Anerkennung für diese deutsche Edelpferdezucht erringen zu können. Dank gebührt also allen denen, die mit unbeirrbarem Eifer die Grundlagen einer deutschen Traberzucht schufen, den großen Zuchtstätten wie den Kleinstgestüten und Besitzern nur einer einzigen Mutterstute, die in der vorliegenden Abhandlung ungenannt bleiben mussten, da einer derartigen Anforderung an dieser Stelle keine Gerechtigkeit gezollt werden konnte.

Klein-Helle

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