Harald Japke
Ein Interview mit “Schnapke”, wie ihn seine Freunde nannten, führte Gerd von Ende 1996 aus Anlass zum 65. Geburtstag von Harald Japke. Nachfolgend Auszüge aus diesem Interview:
Ihnen wurde die Liebe zu den Trabern faktisch in die Wiege gelegt!?
Harald Japke: Sicher, denn als ich 1931 geboren wurde, holte der in den Farben meines Vaters Alfred Japke laufende, von Johnny Mills gefahrene Cicero die Dreifache Krone, also das Adbell Toddington, das Buddenbrock und das Derby. Mein Vater hat sich mit mehr als 100 Siege als Amateurfahrer einen Namen gemacht. Außerdem waren die Trabertrainer Harry Rölle und Alex Weihrich meine Cousins. Da konnte es für mich keinen anderen Berufswunsch als Trabrennfahrer geben. Als Harry Rölle noch bei Fritz Schmidt lernte, saß ich während der Schulferien erstmals im Wagen. Beim ersten Führen eines Pferdes hatte ich zwar noch etwas Bammel, doch insgesamt war ich Feuer und Flamme.
Sie erlebten die Wiedergeburt des deutschen Trabrennsports nach Ende 1945 hautnah in Karlshorst.
Harald Japke: Auf Anraten von Harry Rölle begann ich im April 1945 eine vierjährige Lehre bei Hans Malik. Bis 1947/1948 fuhren wir mit unseren Pferden gern duch die Wuhlheide und an die Spree, was man uns später allerdings untersagte. Die Polizei meinte, an die Sulkies gehörten Rücklichter, Blinker und ähnliches…
Nach der Pflege und dem Training musste immer einer über Nacht im von innen verriegelten Stall bleiben, um die Pferde zu füttern und zu bewachen. Nach der Arbeit bin ich bis zum Bahnhof Lichtenberg gelaufen und musste um Sperrgebiete einen Riesenbogen machen. Weil in unseren vier Wänden in Prenzlauer Berg Ausgebomte Unterschlupf gefunden hatten, wohnte ich vorübergehend bei Harry Rölle in Heinersdorf. Wenn nichts mehr fuhr, spannten wir einfach unseren Traber an, entweder Prag oder Standarte, beide waren straßenfest. Die brachten uns nach Hause und am nächsten Morgen wieder zur Arbeit.
Erinnern Sie sich an Ihren ersten Start bzw. ersten Sieg?
Harald Japke: Mein erstes Rennen fuhr ich mit dem von Christian Buhs sen. trainierten Tukan in Mariendorf. Der Fuchs durfte erst auf dem Geläuf am Casino-Bogen angespannt werden. Mit Wagen betrat der keine Rennbahn. Vor Aufregung vergaß ich meine Handschuhe und dann gab es auch noch Fehlstart… Am Ende war ich Vierter oder Fünfter. Meinen ersten Sieg landete ich als Berufsfahrer mit Zorina II, mit der ich für Trainer Harry Rölle in einem Jahr vier Zähler holte.
Dann spaltete der Mauerbau die Berliner Traberszene für Jahrzehnte. Viele wandten sich von Karlshorst ab, doch Sie blieben. Warum?
Harald Japke: Nach meiner Zeit als Berufsfahrer bei Harry Rölle arbeitete ich für Trainer Hermann Heublein. Der fuhr aus Altersgründen selbst keine Rennen mehr, weshalb ich mit seinen 15 bis 18 Pferden gute Chancen erhielt. Später heiratete ich seine Tochter. Ich wohnte im Ostteil von Berlin, arbeitete aber aus Verdienstgründen, wie etliche andere, in Mariendorf.
Das wiederum kostete mich meine Fahrerlizenz. Die damals Verantwortlichen in Karlshorst meinten, wer nicht in Karlshorst tätig ist, erhält kein entsprechendes Papier. Um in West-Berlin eine Lizenz zu erhalten, hätte ich umziehen müssen. Als Harry Rölle in den Traber-Westen überwechselte, stand mir dieser Weg ebenfalls offen. Aber als Berliner war ich bodenständig und blieb in Karlshorst. Nach dem Mauerbau stieg ich bei Klaus Dickmann als Berufsfahrer ein.
Wann machten Sie sich selbständig?
Harald Japke: Das war Mitte der 60er Jahre. Alfred Krautzig, der Besitzer von Danilo, hatte angeregt, ich solle es einmal als Privattrainer versuchen. Gesagt, getan. Herr Krautzig borgte mir für den Start etwas Geld für einen Sulky und zwei Geschirre. Mit vier oder fünf Pferden ging ich das Privattrainer-Wagnis ein.
Glücklicherweise hatte ich von Beginn an ein Klassepferd wie Danilo im Stall, dessen Erfolge weitere Besitzer anregten, Pferde zu mir in Obhut zu geben. Zu meiner Stallcrew gehörten später auch Gerhard Hackbarth, Hans-Günther Dettlaff und Rainer Schöbel. Zudem bereiteten sich bei mir im Stall ein Dutzend Amateurfahrer auf ihre Prüfung vor, u.a. Dr. Hanns Rathsack und Dr. Christian Ziegener.
Mit welchen Schwierigkeiten hatte ein privater Trabertrainer zu DDR-Zeiten am meisten zu kämpfen?
Harald Japke: Arg eingeschränkt war die Futterversorgung, denn wir mussten fast alles selbst organisieren, wie Heu, Späne, Mischfutter. Lediglich Hafer erhielten wir.
Beispielsweise log man mir vor, Mischfutter sei knapp. Also fuhr ich selbst zum Mischfutterwerk und fragte beim Direktor nach. Der sagte mir, “Herr Japke, sie können jederzeit mit einem LKW und zwei Hängern zu mir kommen. Nur bringen Sie mir die entsprechende Bescheinigung der Zentralstelle für Pferdezucht.” Da wusste ich Bescheid. Wir Privaten sollten kein Mischfutter bekommen! Um jeden LKW mussten wir betteln.
Dann waren da die Auschreibungen, nennen wir es einmal bescheiden und nicht privatfreundlich. Das bekam ich immer ganz besonders zu spüren, wenn ich im Herbst Chancen anmeldete, das Karlshorster Fahrer-Championat zu holen. Plötzlich fand ich für meine Seriensieger keine Rennen mehr.
Trotzdem mischten Sie viele Jahre lang im Vorderfeld der Championatswertungen mit.
Harald Japke: Neben guten Platzierungen errang ich als Privater 1975 mit 86 Siegen bei 583 Starts das Karlshorster Trainer-Championat. 1976/1977 langte es zur Vize-Meisterschaft bei den Trainern und Fahrern hinter Horst Pätzel und Werner Bandermann. Zuvor, 1971 und 1974, war ich bei den Trainern Zweiter hinter Bandermann gewesen. Und nicht selten erhielt ich als besondere Anerkennung am Saisonende einen Präsentkorb für die meisten Starter aller Wuhlheider Trainierställe. In einem Jahr bestritten meine Pferde über 800 Einsätze an rund 100 Renntagen.
An welche Klassepferde erinnern Sie sich besonders gern?
Harald Japke: Natürlich an Danilo, mit dem ich 1967 im internationalen Bersarin-Erinnerungsrennen nach Kampf den Totofavoriten Landbote und Claudius schlagen konnte. Im Jahr zuvor hatte der Fritz Messidor-Sohn neben dem Bruno Cassirer-Rennen auch den Großen Preis der DDR gewonnen, was ihm den Titel “Traber des Jahres 1968” einbrachte.
Dann wäre der prächtige Juvadus zu nennen, der 1976 alles gewann was es zu gewinnen gab. Er holte u.a. Lorbeer im Großen Preis von Karlshorst, im Preis des Gestüts Lindenhof, im Großen Preis der DDR und im Jubiläumspreis von Karlshorst. Letzteren hatte er schon 1975 gewonnen.
Dritter im Bunde wäre Rinaldo, der 1972 im Großen Preis der DDR triumphierte. Mit diesem Trio gelang es mir, auf höchster Ebene in die Phalanx der sogenannten Volkseigenen einzudringen, was nicht wenige Offizielle arg verstimmte. Mit der schnellen Cobra gewann ich acht oder zehn Rennen hintereinander. Zu nennen wären ebenfalls Sudan, Armenia, Arnika oder Armino.
An einem Renntag siegte ich selbst in fünf Rennen und verbuchte noch einen weiteren Trainerpunkt. Außerdem möchte ich Conchita, Kitty und Helgoland erwähnen, mit der ich mehr als 60 Rennen gewann. Etliche Trainersiege verschafften mir die Amateure Fritz Jacob, Lothar Pusch, die Familie Rathsack und Dr. Christian Ziegener.
Eingedenk dieser imponierenden Privat-Bilanz gab es sicherlich Angebote, “volkseigener Trainer” zu werden?
Harald Japke: Ich erinnere mich an zwei Gespräche,mit den Herren von der Zentralstelle. Ihnen war es schon ein Dorn im Auge, dass ich als Privater so viele Rennen gewann. Ich blieb dem privaten Sektor treu, doch das Dasein eines Privattrainers wurde entwicklungs- und pferdemäßig immer ungünstiger. Die meisten Züchter und Besitzer waren unter den damaligen DDR-Bedingungen gezwungen, das Handtuch zu werfen. Es wurden weniger und weniger, und so hatte ich in den Tagen des Mauerfalls kaum noch leistungsstarke Pferde im Stall.
Die politische Wende in Deutschland erweckte Hoffnungen. Wie waren Ihre Erwartungen?
Harald Japke: Wie viele ehemalige DDR-Bürger lebte ich in dem Glauben, endlich geht es wieder voran! Im Trabrennsport kann an alte, schöne Zeiten angeknüpft werden, in denen Berlin noch eine Sporteinheit mit privaten Züchtern, Besitzern und Aktiven war. So, wie wir Karlshorster sie vor dem Mauerbau erlebt hatten. Immerhin waren die meisten Wuhlheider Trainer bei namhaften Mariendorfer Trainer in die Lehre gegangen.
Wurden diese Erwartungen erfüllt?
Harald Japke: Nicht so ganz, denn ich bin von der Mentalität vieler Westler und dem harten Verdrängungskampf enttäuscht worden. Da ging es bei uns, trotz diverser Differenzen zwischen privatem und volkseigenem Sektor, kollegialer und sportlicher zu.
Man hatte selbst als Privater Sympathisanten, die einem gratulierten, wenn ich einen Kracher wie Juvadus vorführte. Ähnlich war es vor 1961, wo selbst Spitzentrainer wie Charlie Mills, Johannes Frömming oder Gerhard Krüger einander zu großen Erfolgen herzlich gratulierten. Da stieg man nach der Siegerparade ab und umarmte sich sogar. Im Rennen dominierte die sportliche Konkurrenz, nach dem Zieleinlauf kam der Gemeinschaftssinn nie zu kurz. Früher freuten sich viele Besitzer schon allein, wenn sich ihr Pferd zeitmäßig verbessert hatte, ohne überhaupt im Geld zu sein. Diese Mentalität und den früheren Idealismus können sich heute wohl nur wenige leisten. Der Trabrennsport hat sich zu einem knallharten Geschäft entwickelt.
Zudem wurde nach dem Mauerfall fast alles, was aus dem Osten kam, für schlecht befunden. Pferde, Trainer und Berufsfahrer bildeten keine Ausnahme. Fast alle Karlshorster, unter ihnen Spitzenleute wie Bandermann und Pätzel, wurden über Nacht fast ihr gesamtes Traberlot los.
Trotzdem hielten Sie dem Karlshorster Trabrennsport weiterhin die Treue…