Aktueller Bericht vom 6. Februar 2017 aus dem Straubinger Tagblatt:

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Die Geschichte des deutschen Traberheros der 60er Jahre, Simmerl, ist nicht gerade die Geschichte eines Spitzenpferdes üblicher Art. Simmerl begann seine Rennlaufbahn 1963 im bayerischen Straubing in der Hand seines Besitzers Heinrich Berger und beendete seine erste Saison als Seriensieger mit gerade einmal knapp 4.000 DM Gewinne.

Doch der Name Simmerl rief schon 1964 bundesweite Aufmerksamkeit hervor, als der Hengst seine Siegesserien nicht nur auf der Piste in München-Daglfing fortsetzte, sondern mit Rolf Luff auch das Criterium der Vierjährigen gegen auswärtige Gäste wie Läufer und Märzbube gewann und im Berliner Bruno Cassirer-Rennen Grandiosa und Miravanuk leicht in die Schranken verwies.

Simmerls Weg an die Spitze der in Deutschland gezogenen Traber setzte sich 1965 unaufhaltsam fort. Seine Siege im Großen Preis von Niederbayern, im Bavaria Preis und im Großen Deutschen Traberpreis steigerten nicht nur die Popularität Simmerls in seiner bayerischen Heimat, auch außerhalb Bayerns eroberte der Hengst fortan die Sympathien aller Traberfans durch seine unverkennbare majestätische Kopfhaltung, die Simmerl auf der Rennbahn zum Publikumsmagneten werden ließ.

Das Rennjahr 1966 begann für Simmerl mit Siegen im Westfalen-Preis und Fritz Roth-Rennen standesgemäß. Seine erste große internationale Herausforderung bestand der Pinninger in der Hand seines Besitzers Heinrich Berger im Preis der Besten, der sich zu einem Zweikampf zwischen Nimble Boy und Simmerl entwickelte. Am Ende war Nimble Boy zwar leicht voraus, aber das Münchener Publikum sparte nicht an Beifall auch für die Leistung Simmerls.

Mit Beginn der Saison 1967 übernahm Rolf Luff den ständigen Platz im Sulky hinter Simmerl und die Aufgaben wurden anspruchsvoller. Im Großen Preis von Bayern platzierte sich Simmerl als bester Inländer hinter Short Stop, Nimble Boy und Pick Wick, im Elite-Rennen war er Zweiter zu Quibus V. Es folgte eine knappe Niederlage gegen Vinci im Deutschen Traberchampionat und dann der glorreiche Auftritt im Preis der Besten, den Rolf Luff später einmal als den wichtigsten Sieg Simmerls in der Karriere des Hengstes bezeichnet hat.

Die Deutsche Traber-Zeitung berichtete: "Rolf Luff und Simmerl rissen die Bayern von den Plätzen. Eine solche Begeisterung um den Sieg eines deutschen Pferdes in internationaler Gesellschaft hatte man wohl selten erlebt. Simmerl brachte hier die Form seines Lebens. So gut sahen wir ihn noch nie."

Die Saison 1968 begann für Simmerl mit einem zweiten Platz zu Eileen Eden im Großen Preis von Bayern. Der Fairness halber muss angemerkt werden, dass die große Roquepine im Endkampf als zweites Pferd über die Linie sprang. Dennoch war Simmerls Leistung als sensationell zu bewerten, denn Deutschlands Nr. 1 zu diesem Zeitpunkt war den beiden besten Stuten der Welt unterlegen gewesen und hatte einem Könner wie Short Stop leicht die Eisen gezeigt. Das Matadoren-Rennen zwei Wochen später war für Simmerl eine problemlose Angelegenheit, ebenso seine Siege im Großen Preis von Niederbayern und im Deutschen Traberchampionat.

Es folgte eine Einladung nach New York zur Teilnahme am International Trot und Challenge Cup. Rolf Luff sagte später einmal, dass Simmerls einzige Schwäche auf der Halbmeilenbahn gelegen hat. Trotzdem schlug sich der deutsche Vertreter in einem auserlesenen Feld von Weltklassetrabern beachtlich und belegte hinter Roquepine, Kentucky Fibber, Fresh Yankee und Ecumene einen fünften Platz im International Trot. Ein zweiter Platz im Preis der Besten hinter Train Bloc und vor Kentucky Fibber rundete die bislang erfolgreichste Saison des Berger Cracks ab.

Das Erstaunliche an Simmerl war, er wurde von Jahr zu Jahr besser. 13 Siege bei 18 Starts als Neunjähriger und die Verbesserung des deutschen Rekords auf 1:16,3 lautete die Bilanz am Ende des Jahres 1969. Es bagann mit einem dritten Platz hinter den Weltcracks Toscan und Eileen Eden im Großen Preis von Bayern, setzte sich fort mit einem zweiten Rang hinter Schwedens besten Traber Kentucky Fibber im Matadoren-Rennen, bevor eine Siegesserie von neun Rennen die Saison zum Abschluss führte.

Die Internationale Meile von Recklinghausen sicherte sich Simmerl in zwei Läufen gegen Felos bzw. Sebald. In beiden Läufen trabte er 1:16,5 und verbesserte den deutschen Rekord deutlich, der bis dato bei 1:17,3 stand, gehalten von Permit und Giant. Das Deutsche Traberchampionat wurde anschliessend zum wiederholten Male eine Beute Simmerls. Auf dem Höhepunkt seiner Form zeigte sich Simmerl im Preis von Deutschland. Auch hier zitieren wir die Deutsche Traber-Zeitung:

"Bahrenfeld bot am Sonntag das Bild eines großen Renntages. Mehr als 20.000 waren gekommen, um der Entscheidung des großen Rennens beizuwohnen. Der Rennverlauf wurde praktisch vom Start bis ins Ziel von Simmerl bestimmt. Rolf Luff wusste, was er seinem großartigen Hengst zumuten konnte. Gleich nach dem Start sah man für einen Moment Wallburg in Front, dann aber zog Simmerl an die Spitze. Auf der Tribünenseite hatte er einen klaren Vorsprung vor Lord Pit, Sebald und Wallburg. Dann folgten Thetis IV, Toscan, Eileen Eden und am Schluss Quosiris D. Frömming wartete im Hintertreffen seine Zeit ab. Noch zu Beginn des letzten Bogens lag er mit Eileen Eden an vorletzter Stelle. Aber kaum war die Gerade erreicht, begann er mächtig aufzudrehen. Zunächst sah es aus, als wenn Simmerl ganz leicht gewinnen würde, aber dann wurde das Ende höllisch knapp, als Eileen Eden, wie ein Pfeil von der Sehne geschnellt, buchstäblich angeflogen kam. Schon lag die Stute fast auf gleicher Höhe mit Simmerl, als dieser, von Rolf Luff gefordert, noch einmal anzog und um einen kurzen Kopf gewann. Der Sieg von Simmerl erweckte Jubelstürme. Man war sich einig in der Meinung, dass mit dem bayerischen Hengst ein Pferd gewonnen hatte, das mit Recht zur Zeit als der beste deutsche Traber bezeichnet werden muss."

Durch seinen Sieg im Preis von Deutschland 1969 war Simmerl mit 461.985 DM zum gewinnreichsten deutschen Traber geworden. Den Titel des schnellsten deutschen Trabers, den zwischenzeitlich True Friend erobert hatte, holte sich Simmerl vier Wochen später in Hamburg-Farmsen zurück, als er über die Meile gegen Quosiris D und Carolyn Sue in 1:16,3 siegte.

Das war aber noch längst nicht alles was man von Simmerl zu Gesicht bekommen hatte. Sein letztes Jahr auf der Bühne des großen Sports vor dem zwangsweisen Ausscheiden wurde quasi zu einem Schaulaufen und mit 189.500 DM Gewinne zur erfolgreichsten Saison für den Hengst. Nach zwei Siegen in kleineren Prüfungen in München scheiterte Simmerl im Großen Preis von Mönchengladbach an der Aufgabe, Claudia II und Jubilar 50 Meter Vorgabe zu leisten. 20 Meter Vorgabe an Carolyn Sue im Preis der Schnellsten bedeuteten hingegen kein Problem für Simmerl.

Ein weltklasse Aufgebot wartete auf Simmerl im Großen Preis von Bayern, den der deutsche Vertreter zu allem Unglück auch noch vom äußerten Startplatz bestreiten musste. Es siegte Fresh Yankee vor Dart Hanover und Tivaty Pelo. Simmerl wurde Fünfter. Auf den Leib geschneidert war der Große Preis von Recklinghausen für Simmerl, den der Pinninger trotz Zulage gegen Rikitikitavi aus Schweden gewann. Im anschliessenden Matadoren-Rennen musste Simmerl in zwei Stechen die Überlegenheit von Eileen Eden und Allo Mannetot anerkennen. Wie erwartet sicherten sich Rolf Luff und Simmerl das Deutsche Traberchampionat zum dritten Mal en suite, bevor es in Hamburg gegen Carolyn Sue zwar eine unerwartete Niederlage gab, aber mit 1:15,9 der eigene deutsche Rekord erneut unterboten wurde. Die Siegerin trabte mit 1:15,8 immerhin die schnellste Zeit, die jemals auf der Hamburger Bahn in Farmsen erzielt worden war.

Noch drei bedeutende internationale Prüfungen standen für Simmerl vor dem Ende seiner großartigen Karriere auf dem Plan: Der Preis von Deutschland in Hamburg-Bahrenfeld, das Elite-Rennen in Gelsenkirchen und der Preis der Besten in München-Daglfing.

Der Preis von Deutschland wurde zu einem gigantischen Dreikampf um den Lorbeerkranz zwischen Simmerl, Tidalium Pelo und Eileen Eden. Der Starter berichtete: "Zu Beginn der Gegengeraden forcierte Jean Mary mit Tidalium Pelo das Tempo und zu Beginn des Einlaufbogens war der dunkelbraune Hengst neben Simmerl. Wer glaubte, dass das Schicksal von Simmerl besiegelt sei, sah sich bald eines besseren belehrt. Rolf Luff hatte dem Zehnjährigen Reserven aufgespart. Simmerl und Tidalium Pelo bogen Kopf an Kopf in die Zielgerade und lieferten sich einen erbitterten Kampf, in den nun Eileen Eden mit ihrem phänomenalen Endspeed eingriff. Eileen Eden schien zu fliegen und es war vollkommen ungewiss, wie das Ringen ausgehen würde. Die Zuschauer riss es von den Plätzen und die Anfeuerungsrufe dürften zur Hauptsache Simmerl gegolten haben. Bis kurz vorm Ziel hatte der Braune den Kopf in Front. Erst als Jean Mary noch einmal eine Peitschenhilfe gab, erlangte Tidalium Pelo einen knappen und den Sieg bedeutenden Vorteil. Das Zielfoto zeigte Tidalium Pelo mit Kopfvorsprung als Sieger vor Eileen Eden, die Simmerl mit kurzem Kopf auf den dritten Platz verwiesen hatte."

Auf Vorschlag von Hans Frömming war nach diesem Rennen spontan ein Einladungsrennen ausgesprochen worden, das die drei Pferde eine Woche später an gleicher Stätte über die englische Meile hinter dem Auto erneut am Start sah. Wieder gab es eine dramatische Auseinandersetzung mit Tidalium Pelo als Sieger, doch Simmerl behauptete sich diesmal als Zweiter vor Eileen Eden. Die Siegzeit von 1:15,5 bedeutete die schnellste Zeit, die jemals ein Traber auf deutschem Boden erzielt hatte und mit 1:15,6 hatte Simmerl erneut seinen deutschen Rekord unterboten.

Das Elite-Rennen über 2500 Meter nahm Simmerl als einziger Teilnehmer mit einer 25 Meter Zulage auf. Er scheiterte trotz eines hervorragenden Schlussspurts an dem Franzosen Uno. Im Preis der Besten sprang ein vierter Rang heraus, es siegte Tony M vor Eileen Eden.

Eine siegreiche Abschiedsvorstellung gab Simmerl im Goldenen Pferd in Dinslaken und im Nienhausen-Rennen in Gelsenkirchen. Seinen 124. Start gestaltete Simmerl am 27. Dezember in München zum 82. Sieg seiner Karriere, als er unter großem Beifall zum letzten Mal die Siegerparade fuhr.

Und das sagte Simmerl über sich selbst

Mein Name ist Simmerl, und das kam so: Als ich das Licht der Welt erblickte, war ich noch völlig unbekannt. Meine Wiege stand, wenn man es so sagen will, in einem Stall in Großenpinning. Eigentlich verwunderlich, dass ich zu dem Film "Jagdszenen aus Niederbayern" nicht herangezogen wurde. Mein Vater hieß Unic d'Arvor, ein bisschen geschwollen, nicht wahr, meine Mutter hörte auf den Namen Sieglinde. Das Produkt der beiden bin ich. Mein Brötchen- bzw. Hafergeber taufte mich "Simmerl". Den Preußen sei verraten, dass das Wort von Simon abgewandelt wurde. Was im Bayerischen ein Simmerl ist, geht die nichts an. Bin schon recht froh, dass sie mich nicht Seppl nannten.

Aufgewachsen bin ich unter Kühen, und wahrscheinlich wäre ich ein Ackergaul geworden, wenn mich nicht Herr Ludwig Berger und seine Söhne wie den Primaner einer Klosterschule in Zucht genommen hätten. So wurde ich zum Traber geschult, was gar nicht so leicht gewesen ist. Mein Lehrherr schimpfte einmal: "Der Kerl beißt ja wie ein Hund!" Aber das war nur der Trotz der Jugend.

Unter uns Pferden gesagt, ich brauchte lange, bis ich richtig erwachsen war. Doch das hat meiner Laufbahn nicht geschadet. Erst als Dreijähriger schnupperte ich Rennbahnluft (Straubinger!). Das Geld für meinen Besitzer läpperte sich anfangs mühsam zusammen - 4.070 Mark bei 11 Starts. Aber ich fand Gefallen an diesem Sport. Ab und zu durfte ich nach München-Daglfing, wo ich zum Hausmatador wurde.

Eines Tages traute ich meinen Augen nicht, stand ich doch in einem fremden Stall. Die Bergers hatten mich für lumpige 30.000 Mark verkauft. Was tun, sprach Zeus! Da erinnerte ich mich meines Schnackelknies, das ich vom Vater ererbt hatte. "Simmerl, jetzt musst hatschen", sagte ich mir, mit dem Erfolg, dass mich der Berger für 25.000 Mark zurückkaufen konnte. Zum Dank trabte ich ihm 701.020 Mark zusammen. Soviel soll der Franz Beckenbauer erst einmal verdienen!

Ich habe schon viele Lorbeerkränze gefressen. Mit dem Criterium der Vierjährigen fing es an. Nicht nur Straubing, Daglfing, Hamburg und Recklinghausen haben wir abgegrast. Wir - damit meine ich den Berger Heinrich und den Rolf Luff, der mir erst richtig beigebracht hat, was man unter einem Crack versteht. Wir sind sogar für Deutschland nach Amerika gefahren. Naja, der Flug, das Klima, die fremde Bahn in New York - immerhin sind wir mit 5.000 Dollar und viel Erfahrung heimgekehrt.

Schnell, schneller, am schnellsten - der Luff hat leicht reden. In Recklinghausen trabte ich den Kilometer in 1:16,5, in Hamburg-Bahrenfeld sogar 1:15,6. Mehr als diesen Inländerrekord kann man doch nimmer verlangen. Das brachte nicht einmal der Eddy Merckx zusammen. Mit 10 habe ich aufgehört. Man hat ja schliesslich auch ein Anrecht auf ein Privatleben!