Xiphias
Am 12. Juni 1932 wurde in Gelsenkirchen der Grundstein zu der Laufbahn eines Klassepferdes gelegt. An diesem Tag lief Xiphias sein erstes Rennen. Er gewann mit Weile, der Rennkalender verzeichnet 30 Längen. Die Quote war wie 1929 bei Erbse, die als erste deutsche Zweijährige in München-Daglfing unter 1:30 getrabt war, 10:10.
Da der Hengst auch in der Arbeit ungewöhnlich ansprach, nahm es kein Wunder, dass sein Name auch in Hamburg in aller Munde war. Am 3. Juli war es dann soweit. Xiphias kam im Maienlieb-Rennen in Bahrenfeld heraus. Wieder gewann er mit haushoher Überlegenheit, ja er verlor seine Gegner auf halben Wege. Der Richterspruch lautete wieder Weile. Dabei waren Nero Watts und Malte, die die nächsten Plätze besetzten, Pferde, die etwas konnten.
Trainer Christian Pütz zögerte nicht, Xiphias für die klassischen Ereignisse vorzubereiten. Bei seiner grandiosen Form bildete der Altonaer Zuchtpreis kein Hindernis für Xiphias. In 1:28,1 schlug er Sunny Boy und Marienkäfer nach Gefallen. Wieder bekamen die Wetter bei einer Quote von 10:10 nur ihr Geld zurück. Als dann anderthalb Monate später der Hamburger Zuchtpreis gelaufen wurde, verbesserte Xiphias seinen Rekord auf 1:26,5. Malte und Peter Ortolan endeten 10 bzw. 20 Längen hinter ihm.
Von Hamburg aus ging die Reise nach Berlin. Das klassische Groscurth-Rennen war das Ziel. Man schrieb bereits Oktober, das Wetter war schlecht, es regnete und die Bahn war klebrig. Trotzdem gewann Xiphias in 1:26,0 über 1800 Meter sehr leicht. Die Presse war voll des Lobes über diese Leistung: "Der westdeutsche Vertreter Xiphias, der schon auf Grund seiner Gesamtform bisher der Beste unter den Zweijährigen war, gewann das Rennen bei einwandfreiem Verlauf vom Start bis ins Ziel in der Rekordzeit von 1:26,0 über die lange Strecke. Es herrschte nach dem Siege von Xiphias nur eine Stimmung der Begeisterung, so überwältigt waren alle Augenzeugen von der Art und Weise des Erfolges."
Als die Zweijährigensaison beendet war und Xiphias das Winterquartier bezogen hatte, war man sich im deutschen Trabersport einig, dass in ihm ein Pferd der Spitzenklasse steckte. Obwohl Xiphias 1932 der gewinnreichste Zweijährige war, gewann der Hengst doch nur knapp 9.000 Mark. Bei nur sechs Starts siegte er fünfmal. Eine einzige Niederlage in Gelsenkirchen war ihm beschieden, wo er unmögliche Zulagen aufnehmen musste. Es handelte sich um 180 Meter auf einer Strecke von 1200 Meter.
Als Sohn des mehrfachen Champions der deutschen Vaterpferde David Guy und der aus den USA eingeführten Alma Forbes war Xiphias im Gestüt Elten von B.J. Alkemade rein amerikanisch gezogen. Es muss damals ein stattliches Lot Youngster bei B.J. Alkemade in Elten gestanden haben. Viele Jährlinge wurden verkauft, Xiphias aber nicht, der hinsichtlich Exterieur kaum der Idealtyp des Trabers war. Vielleicht auch deshalb war er am 15. Februar 1932 sowohl aus dem Derby als auch aus dem Buddenbrock-Rennen gestrichen worden. Ein fataler Fehler, wie sich später herausstellte. Xiphias war zu Trainer Christian Pütz nach Gelsenkirchen gestellt und für 3.000 Mark an Chr. Kolkmann verkauft worden. Nach Beendigung der Zweijährigensaison wechselte Xiphias für einen verhältnismäßig niedrigen Preis in den Besitz von Frau W. Mies und erwies sich als das große Los.
Als Xiphias als Dreijähriger Anfang März 1933 wieder an den Start kam, bewies er bereits in seinem ersten Rennen, dass er nichts von seinem Können eingebüßt hatte. Wie sehr er in Schwung war, zeigte er bereits im Adbell Toddington-Rennen, das er in 1:26,1 gegen den späteren Derbysieger Xifra gewann. Allgemein bedauerte man, dass er im Buddenbrock und im Derby kein Engagement besaß. Aber am Derbytage selbst vollbrachte er eine großartige Leistung, als er über 2620 Meter in 1:25,2 Blanker Hans das Nachsehen gab. Ein Sieg über Hermann Allmers in 1:23,3 und ein weiterer Erfolg über Peter W. in 1:25,1 ließen ihn für den Großen Deutschen Traberpreis in Bahrenfeld hervorragend gerüstet erscheinen. Diesmal aber musste er sich einem älteren, auf der langen Strecke von 2800 Meter besser erprobten Gegner beugen. Es war Querulant, der ihm eine einwandfreie Niederlage bereitete. Auch im Bürgermeister Schröder-Rennen war die Aufgabe nicht leicht, aber er löste sie, indem er 1:23,8 trabte.
Das Rennen des Jahres aber war für Xiphias die Championship von Bahrenfeld, in der er 60 Meter vor Walter Dear stand, der sich in Höchstform befand. Wohl war Xiphias im Gesamtergebnis nur Zweiter hinter Walter Dear, aber er hatte das zweite Stechen gegen ihn gewonnen, und zwar in der für einen Dreijährigen großartigen Zeit von 1:21,7. Damit hatte Xiphias einen neuen deutschen und zugleich europäischen Rekord aufgestellt. Sein Sieg war so imponierend, dass er von nun ab zur Traberelite gerechnet werden musste.
Seine Erfolge als Vierjähriger ließen daran keinen Zweifel. Der Große Alster-Preis von 1934 bescherte ihm einen stolzen Erfolg. Vitruv, Hasso, Antrag, Dattel und Dilla Betsey nahmen den Kampf in diesem klassischen Fliegerrennen gegen ihn auf. Aber Xiphias schlug sie alle in 1:20,8 nach Gefallen.
Doch kein Klassepferd bleibt auf Dauer ohne Niederlagen. Das musste auch Xiphias erfahren. Im Gatermann-Erinnerungsrennen konnte er nur Dritter hinter Edgar und Alinde Lee werden, im Großen Deutschen Traberpreis wurde er von Hasso geschlagen, im Preis von Deutschland belegte er den vierten Platz hinter Washington, Calumet Butler und Querulant und im Großen Preis von Hamburg-Farmsen musste er die Überlegenheit von Antrag anerkennen.
Diese verlorenen Schlachten machte er aber durch seinen Triumph im Matadoren-Rennen wieder gut. Im ersten Stechen schlug er Vitruv in 1:18,8 und im zweiten Stechen Querulant in 1:18,6. Doch die Anstrengungen dieses Rennens machten sich bemerkbar. Als er im Spätherbst des Jahres 1934 in Gelsenkirchen noch einmal an den Start kam, versagte er vollkommen.
Als Xiphias fünfjährig wieder herauskam, war er zwar zunächst zweimal siegreich - er gewann in Gelsenkirchen gegen Maimädel und in Farmsen gegen Däumling -, dann aber wurde er im Großen Alster-Preis, im Elite-Rennen, im Großen Preis des Deutschen Olympiade-Komitees für Reiterei, im Großen Deutschen Traberpreis und in der Championship von Bahrenfeld geschlagen. Doch er hielt sich stets ausgezeichnet und brachte schnelle Zeiten zusammen. So konnte er im Matadoren-Rennen 1935, das von Muscletone in 1:16,9 gewonnen wurde, im zweiten Stechen seinen Rekord auf 1:18,3 verbessern.
Im Frühjahr 1936 kam Xiphias zu Johannes Frömming in Training. Dieser verstand es, sein Können noch weiter zu steigern. Das zeigte der Sieg von Xiphias im 2. Internationalen Traberaufruf in München, vor allem aber sein Erfolg im Jubiläums-Preis in Farmsen, in dem er über 2700 Meter in 1:21,7 Vitruv und Johannes M. bezwang. Eine große Leistung war in Mariendorf auch sein Sieg über Probst, dem er 60 Meter gab. Im Matadoren-Rennen 1936 setzte er sich im ersten Stechen in 1:19,2 gegen Calumet Bastle durch, im zweiten Stechen schlug er wiederum in 1:19,2 Vitruv und Calumet Bastle. Im ersten Stechen hatte es einen aufregenden Moment gegeben, als Xiphias in der Distanz innen festsaß und erst im letzten Augenblick einen Durchschlupf fand. Nicht vergessen werden dürfen seine Siege in Wien gegen beste Klasse im Preis von Österreich in 1:21,3 über 2300 Meter und im Graf Kalman Hunyady-Rennen in 1:22,4 über 2940 Meter.
Immer größer wurden die Anforderungen, die an Xiphias gestellt wurden. Das zeigte sich vor allem im Jahr 1937. Es war das Jahr, in dem er im Matadoren-Rennen seinen Rekord auf 1:17,5 verbesserte, ohne aber in die Entscheidung eingreifen zu können. Besonderes Pech entwickelte Xiphias im Großen Deutschen Traber-Preis in Bahrenfeld. Schon hatte er Peter Pink, der 120 Meter vor ihm abgegangen war, niedergekämpft, als er in Pass verfiel und des Sieges verlustig ging. Leider zeigte er auch späterhin oftmals diese Neigung zum Pass, wodurch sein großes Können etwas beeinträchtigt wurde. Aber nicht nur im Großen Traber-Preis, auch sonst wurden ihm Grenzen gesetzt. So verlor er das Graf Kalman Hunyady-Gedenkrennen in Wien an Rama, der von 90 Meter Vorgaben und einer Kollision Xiphias mit Mary Sunshine profitierte. Ein klassischer Erfolg in diesem Jahr war ihm aber doch beschieden. In 1:21,8 gewann er den Großen Preis von Hamburg-Farmsen gegen Fair Exchange und Zapfenstreich.
Im Matadoren-Rennen 1938 traf er auf übermächtige Konkurrenz. Tara, die in Amerika sogar einmal den schnellsten Traber der Welt, Greyhound, geschlagen hatte, gewann das Matadoren-Rennen ganz überlegen. Doch Johannes Frömming ließ sich nicht entmutigen. Xiphias wurde nach München verladen, wo er im Silbernen Pferd von Deutschland aufgeboten wurde. Das Rennen brachte dem Hengst einen der größten Erfolge seiner Rennlaufbahn, denn er schlug bei schwerer Bahn De Sota, Ludwig Ford und Circe.
1939 bestritt Xiphias drei große Rennen: den Großen Alster-Preis in Farmsen, das Matadoren-Rennen und die Kopenhagener Mei-sterschaft. Aber ein Sieg war ihm nicht vergönnt. In Kopenhagen gewann er zwar das erste Stechen in 1:20,7, wurde in den beiden anderen Stechen aber nur Zweiter in 1:20,7 und 1:20,4.
Schon frühzeitig ging er ins Winterquartier. Aber die Ruhe konnte die allmählich nachlassenden Kräfte nicht mehr ersetzen. Die Tragödie des Alterns für dieses Klassepferd begann. Der "Stolz von Elten" war als Zehnjähriger nicht mehr das große Pferd früherer Jahre. Bei seinem letzten Start am 1. November 1940 musste er mit einem zweiten Platz hinter Ministrator vorliebnehmen.
Bei Kriegsende stand Xiphias als Deckhengst in dem kleinen mecklenburgischen Ort Boberow. Von dort trat er, als die Russen vordrangen, den Weg in eine ungewisse Zukunft an. Gerüchteweise wollen Traberleute dem Dunkelbraunen irgendwo in einem russischen Staatsgestüt begegnet sein. 1947 konnte sein Sohn Avanti das Deutsche Traber-Derby gewinnen. Als ein stattlicher, stolzer Dunkelbrauner, als ein Pferd voll Nerv, Härte und Kampfesmut wird Xiphias, der in seiner Rennlaufbahn 156.197 Mark gewann, in der Erinnerung fortleben.
Siege in Zuchtrennen
1932: Altonaer Zuchtpreis, Hamburger Zuchtpreis, Groscurth-Rennen
1933: Adbell Toddington-Rennen, Bürgermeister Schröder-Rennen
1934: Großer Alster-Preis, Matadoren-Rennen
1936: 2. Internationaler Traberaufruf, Jubiläums-Preis, Matadoren-Rennen, Graf Kalman Hunyady-Rennen
1937: Großer Preis von Hamburg-Farmsen
1938: Silbernes Pferd von Deutschland