Stutenfamilien in der deutschen Traberzucht: Rigolette v. Bayard (E135)

Nadias Familie

15 Stutenfamilien französischen Ursprungs mit Siegern in gehobenen Rennen gibt es derzeit in der deutschen Traberzucht. Die Erfolgreichste unter ihnen ist die Familie der Rigolette v. Bayard.

Die Suche nach den Wurzeln der Familie führt zurück in das 19. Jahrhundert. Quell ist die 1865 in Frankreich geborene Rigolette v. Bayard, deren Nachfahren jenseits des Rheins auch 150 Jahre später noch mit beachtlichem Erfolg agieren. Ein Mitglied dieser Familie ist z.B. die 2003 geborene Workaholic-Tochter Premiere Steed. Die Stute brachte es während ihrer erfolgreichen Rennkarriere auf beachtliche Gewinne von 1.197.393 Euro. Premiere Steed befindet sich 13 Generationen von Rigolette entfernt.

In der deutschen Traberzucht ist die Familie der Rigolette seit Einfuhr der 1897 geborenen Nadia 1:42 v. Aramis präsent. Nadia war eine Urenkelin der Rigolette. Ihr Blutaufbau ist stark durch die 1853 geborene Elisa v. Corsair geprägt. Elisa nahm als Mutter bzw. Großmutter bedeutender Zuchthengste wie Conquerant und Phaeton eine exponierte Stellung in der frühen französischen Traberzucht ein. Aus der direkten Mutterlinie von Elisa stammen z.B. Passeport, Prix d’Amerique-Sieger 1923 und 1924, und aus heutiger Zeit Bird Parker, Gewinner von über zwei Millionen Euro.

Nadias 1906 geborene Tochter Naja stammte von Ay. Ein Hengst, der als Vollbruder zum vielfachen französischen Champion-Vererber Bemecourt über großartige Referenzen verfügte. Ein weiterer Beleg für den hohen Zuchtwert Najas ist der Fakt, dass ihr Pedigree in vierter Generation zweimal Elisas Sohn Conquerant aufwies.

Eine Schlüsselstellung in der Entwicklung von Nadias Familie in Deutschland nimmt die 1910 von L. Dieckhöfer gezogene Natalie 1:28,5 v. Wainscott ein. Diese Stute siegte 1918 im Kronprinz Wilhelm-Pokal und stand in ihrer Zuchtleistung weit über dem damaligen Durchschnitt. Für Alfons Porak, Gestüt Höflein, und das ehemalige Gestüt Lasbek, brachte sie zwischen 1920 und 1933 14 Fohlen zur Welt. Bis auf das letzte Fohlen besaßen alle den Amerikaner Black Jim zum Vater.

Drei Kinder der Natalie siegten in Zuchtrennen. Dies waren Nathan IV 1:20,9, Natalis 1:23,5 und Natrium 1.22,8. Nathan IV war Natalies erster und bester Nachkomme. 1924 siegte der Hengst im Preis von Deutschland, das auch damals schon ein Rennen der internationalen Eliteklasse war.

Zwei Töchter der Natalie, Natuna 1:23,8 und Natur 2, 1:26,6, waren für die weitere Ausbreitung der Familie verantwortlich. Natuna stand bei Josef Berger in Waltrop und brachte als letztes Produkt den 1952 geborenen Zuchtrennensieger Naatje1:21,0.

Der von Natuna ausgehende Zweig erreichte seinen Höhepunkt in den 50er Jahren durch Nomeda v. Hasso, Nuta v. Warren Guy und deren rechte Schwester Tuna Guy. Nomeda brachte für Karl Abel, Heinkenborstel, den Zuchtrennensieger Nomade 1:24,9, während Nuta in der Zucht von Bernhard Besseling, Hülsten, den Zuchtrennensieger Narwal 1:23,7 lieferte.

Über die 1946 geborene Tuna Guy 1:21,3 spannt sich der Bogen zur 1992 von Heinrich Tack, Ahrensbök, gezogenen Jilli 1:14,8 v. Yankee Cougar. Sie brachte 1999 Jillis Joker 1:12,6, Vater der mehrfachen Zuchtrennensiegerin Galea. Der Dritte im Deutschen Traber-Derby des Jahres 2002 ist vorläufig das letzte Glied herausragender Vertreter aus der Linie der Natuna.

Wesentlich produktiver entwickelte sich der Familienstamm der 1927 geborenen Natalie-Tochter Natur. Die Stute besaß einen Zweijährigenrekord von 1:26,6 und wirkte bei A. Addicks im Gestüt Niedersachsen. Ihr Aushängeschild war der Zuchtrennensieger Anderl 1:26,4. Ihre Tochter Cathrin Dorette v. Peter Ingomar brachte für Wilhelm Peters in Jübek mit Hark 1:20,8 und Hay 1:22,6 zwei Zuchtrennensieger.

Von wesentlich größerer Bedeutung war allerdings die 1936 geborene Hanna Petrovsky 1:25,7 v. Petrovsky, die zu den Perlen des Gestüts Straßlach von Wilhelm Kraus sen. und jr. zählte. Diese Stute nimmt eine weitere bedeutende Schlüsselfunktion in der Familienchronik von Nadias Familie ein. Vier ihrer Töchter zeichneten für mindestens einen Zuchtrennensieger verantwortlich.

Am erfolgreichsten war Xeres LB 1:27,4 v. Leo Bush. Mit Ginster 1:17,3, Züchter Fritz König, Franzhagen, und Hans Harald 3, 1:17,4, Züchter Gudrun Bruhn, Hamburg, lieferte sie zwei veritable Cracks, die als Sieger zahlreicher hochdotierter Rennen brillierten. Des Weiteren erwähnen wir Wanda Bush 2, 1:31,3 v. Calumet Bush, die für den Dolberger Matthias Hase den Zuchtrennensieger Wüstenkönig 1:22,0 brachte.

Dritte im Bunde der Hanna Petrovsky-Töchter war die 1950 geborene Vedda Bush 1:21,2 v. Calumet Bush, 1956 Sieger im Recklinghäuser Franz Linnemann-Rennen. Sie wurde Mutter des von Franz Holtmann, Hamm, gezogenen Velinus 1:19,6, Sieger im Orakel der Dreijährigen.

Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die Vollgeschwister Ustia Bush, Vedda Bush und Wanda Bush allesamt Inzucht-Produkte waren. Sie besaßen in dritter Generation zweimal das wertvolle Blut des 1895 in den USA geborenen Peter the Great.

Drei Generationen von Vedda Bush entfernt befindet sich die von Alwin Schockemöhle, Mühlen, gezogene Diamond Way-Tochter Violetta As 1:15,8. Zwei ihrer Nachkommen fanden Aufnahme in den Elite-Club der Familie. Sonja Wewering bzw. ihre Tochter Marie Charlott Wewering, Lüdinghausen, züchteten mit Violetta As den Vorlaufsieger im Deutschen Traber-Derby 2003, Very Valentino 1:13,8, und Beautiful Rose 3, 1:14,7, die Siegerin im Deutschen Stuten-Derby 2006.

Der heutzutage bedeutendste Zweig von Nadias Familie geht von der 1949 geborenen Ustia Bush 1:24,5 vom Klassevererber Calumet Bush a.d. Hanna Petrovsky aus. Vor ihrer Ausfuhr 1965 nach Schweden hinterließ die Stute noch den von Hans Werner Brammann gezüchteten Onkel Wilhelm 1:19,1, Sieger im Deutschen Vierjährigen-Preis 1968.

Ustia Bushs erster Nachkomme war 1958 die von Eduard Bocklage in Süderbrarup gezüchtete Royer Deern 1:26,0 v. Riedel. Auch ihr Weg führte 1965 ins Ausland. Aber Dank Tapani Suominen fand das Blut der Ustia Bush 16 Jahre später durch die in Finnland geborene Scirocco 1:19,8 v. Rex Junior und deren Tochter Formia Copper Cloud nach Deutschland zurück. Ursula Schulze-Tertilt, Everswinkel, und Mike Lenders, Mönchengladbach, züchteten mit Scirocco, die sich als Mutter des Jahrgangcracks Sydney 3, 1:16,1 und des Zuchtrennensiegers Sachalin 1:16,6 hervortat.

Für den ohne Zweifel besten Traber aus Nadias Familie zeichnet die 1991 von Alwin Schockemöhle gezüchtete Flashlight v. Cheetah verantwortlich. Flashlight war eine Enkelin der Scirocco und Tochter der Klassestute Formia Copper Cloud 1:14,1 v. Keystone Action. Aus der Anpaarung mit Diamond Way entsprang 1997 der Millionen-Traber Freiherr As 1:10,2. Der Hengst war zeitweise sogar der schnellste Traber der über 100-jährigen Geschichte der deutschen Traberzucht und hatte nur das Pech, dem selben Jahrgang wie Abano As anzugehören.

Eine Halbschwester zu Formia Copper Cloud war die 1984 von Ursula Pfeiffer, ehemals Schulze-Tertilt, gezüchtete Sharing 3, 1:15,9 v. Impish Pride, die in die Zuchtstutenherde des Nienburger Bauunternehmers Horst Huskamp Aufnahme fand. Ihr bestes Produkt war die Diamond Way-Tochter Red Lady 1:15,2, Sieger im Deutschen Stuten-Derby 1993. Für die Zucht von Sonja Wewering brachte Red Lady den Breeders Crown-Sieger Godolphin und Sweet Home Alabama 1:16,1 v. Pine Chip.

Sweet Home Alabama gewann zwar 14 ihrer 21 Rennen, aber dennoch keine 10.000 Euro. Aus ihrer überwiegend weiblichen Nachkommenschar haben sich bislang die 2016 von Hans-Ulrich Bornmann, Ennepetal, gezogene Marylin Monroe Bo 2, 1:14,3, Sieger im Orakel der Zweijährigen 2018 und im Adbell Toddington-Stutenrennen 2019, Kiss Me Bo 1:12,9, Sieger im Großen Preis der Stadt Mönchengladbach 2019, und deren 2011 von Frederik Maarsen, Baarle-Nassau, gezogene Halbschwester Here comes Bo 3, 1:15,8 v. Cantab Hall, hervorgetan. Hans-Ulrich Bornmann führte die Cantab Hall-Tochter Maharajah zu und wurde für diese Entscheidung mit Namanga Bo 2, 1:14,8 belohnt, Breeders Crown-Siegerin 2019.

Hier endet nun vorläufig der einen Zeitraum von mehr als 100 Jahre umspannende Bogen von Nadias Familien-Chronik, die deutsche Dependance der Rigolette. Erwähnenswert ist noch, dass zum zweiten Mal in der Geschichte dieser Familie fünf Generationen an Stuten in ununterbrochener Folge Zuchtrennensieger produziert haben. Naja – Natalie – Natur – Hanna Petrovsky – Ustia Bush war die erste Kette, Scirocco – Sharing – Red Lady – Sweet Home Alabama – Here comes Bo ist die Zweite. Die erfolgreiche Fortsetzung der Erfolgsstory ruht nun auf den Nachkommen der Red Lady, Flashlight und Violetta As.

Jürgen Gaßner

Erklärung

Die in Australien und Neuseeland von Ron Groves, John Peck und Peter Craig gepflegte Website “Classic Families” kategorisiert die wichtigsten Traber-Familien der Welt. Traber-Familien europäischen Ursprungs beginnen mit dem Buchstaben “E” und einer fortlaufenden Nummer. Die Familie Rigolette v. Bayard führt daher die Bezeichnung E135.

Die Zuchtrennensieger der Familie von Rigolette v. Bayard (E135) in Deutschland. Kursiv = Stuten.

Rigolette (FR) (1865-Bayard)

.1 Patrie (FR) 1:46 (1871-Young Quick Silver)

..2 Lagopede (FR) 1:51 (1882-Phaeton)

...3 Nadia (FR) 1:42 (1897-Aramis)

....4 Naja (1906-Ay) Natalie1910

.....5 Natalie 1:28,5 (1910-Wainscott) Nathan IV 1920 Natalis 1922 Natrium 1928

......6 Natur 2, 1:26,6 (1927-Black Jim) Anderl1937

.......7 Hanna Petrovsky 1:25,7 (1936/1958-Petrovsky) Vedda Bush1950

........8 Ustia Bush 1:24,5 (1949/exp. 1965-Calumet Bush) Onkel Wilhelm1964

.........9 Royer Deern 1:26,0 (1958/exp. 1965-Riedel)

..........0 Nolle (FI) (1967-Onward Eagle)

...........1 Scirocco (FI) 1:19,8 (1970/imp. 1981-Rex Junior) Sydney 1983 Sachalin1987

............2 Formia Copper Cloud (FI) 1:14,1 (1980-Keystone Action)

.............3 Flashlight (1991-Cheetah) Freiherr As1997

............2 Sharing 3, 1:15,9 (1984-Impish Pride) Red Lady 1990

.............3 Red Lady 1:15,2 (1990-Diamond Way) Godolphin2001

..............4 Sweet Home Alabama 1:16,1 (2003-Pine Chip) Kiss Me Bo2014Marylin Monroe Bo 2016

...............5 Here comes Bo 3, 1:15,8 (2011-Cantab Hall) Namanga Bo 2017

........8 Vedda Bush 1:21,2 (1950-Calumet Bush) Velinus1966

.........9 Veddaria (1971-Lieuvin)

..........0 Viola (1988-Impish Pride)

...........1 Violetta As 1:15,8 (1992-Diamond Way) Very Valentino 2000 Beautiful Rose 2003

........8 Wanda Bush 2, 1:31,3 (1951-Calumet Bush) Wüstenkönig1958

........8 Xeres LB 1:27,4 (1952-Leo Bush) Ginster 1964 Hans Harald 1976

.......7 Cathrin Dorette (1944-Peter Ingomar) Hark 1949 Hay 1957

......6 Natuna 1:23,8 (1930-Black Jim) Naatje1952

.......7 Nomeda 1:28,4 (1941-Hasso) Nomade1954

.......7 Nuta 1:30,2 (1945-Warren Guy) Narwal1956

.......7 Tuna Guy 1:21,3 (1946-Warren Guy)

........8 Jetta (1955/1979-Moritz)

.........9 Jilona 3, 1:22,2 (1964-Enterprise)

..........0 Jilana 1:20,6 (1983-Amastar)

...........1 Jilli 1:14,8 (1992-Yankee Cougar) Jillis Joker1999